Gestern war der engste Kreis des Volkswagen-Aufsichtsrats zu einer Sondersitzung in Salzburg zusammengekommen, um über einen Ausweg aus der Führungskrise zu beraten. Am Freitag soll es eine erste Stellungnahme geben.

Wolfsburg - Zum ersten Mal in dem seit knapp einer Woche schwelenden Machtkampf an der VW-Spitze will die Führung von Europas größtem Autobauer am Freitag eine Erklärung abgeben. Mit Spannung warten Branchenbeobachter, Aktionäre und die Beschäftigten auf eine offizielle Äußerung des Konzerns, nachdem tags zuvor der engste Kreis des Volkswagen-Aufsichtsrats bei einer Sondersitzung in Salzburg zusammengekommen war.

 

Vorstandschef Martin Winterkorn steht unter Druck, seitdem sein langjähriger Mentor und Chefaufseher Ferdinand Piëch Ende vergangener Woche überraschend von ihm abgerückt war. Ob die Erklärung dem Konzern einen Ausweg aus der Führungskrise ebnet, war zunächst ebenso unklar wie der genaue Zeitpunkt der Information.

Nach dem Treffen des Aufsichtsrats-Präsidiums in Österreich zeichnete sich zunächst keine schnelle Lösung in dem Machtpoker ab. Das sechsköpfige Präsidium stellt den Kern des 20-köpfigen Kontrollgremiums. Bei dem Sondertreffen in Salzburg war am Donnerstag auch Winterkorn mit von der Partie. Am Abend saß er dann mit Betriebsratschef Bernd Osterloh auf der Tribüne beim Europa-League-Spiel des VfL Wolfsburg gegen den SSC Neapel.

Es geht um Winterkorns Zukunft

Im „Spiegel“ war Piëch „auf Distanz zu Winterkorn“ gegangen und hatte ihm damit das Vertrauen entzogen. Nach dieser öffentlichen Attacke ging es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bei dem Treffen im Salzburg um Winterkorns berufliche Zukunft bei VW.

Winterkorn will laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ um eine Verlängerung seines 2016 auslaufenden Vertrags kämpfen. Auch nach dpa-Informationen waren strategische Fragen rund um den Kurs des Vorstands zumindest ein wesentlicher Bestandteil des Sondertreffens. Das Bundesland Salzburg ist nicht nur die Heimat von Piëch, auch der Familiensitz der Porsches befindet sich dort. Beide Familienzweige halten zusammen die Macht bei Europas größtem Autobauer.

Das Aufsichtsrats-Präsidium bereitet entscheidende Weichenstellungen des Kontrollgremiums vor. Das Sextett bilden: Ferdinand Piëch (Vorsitz), Berthold Huber von der IG Metall (Vize-Vorsitz), VW-Konzernbetriebsratschef Osterloh, der Sprecher des Porsche-Familienzweigs, Wolfgang Porsche, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Osterloh-Vize Stephan Wolf.

Piëch ist bis zum Frühjahr 2017 als Aufsichtsratschef gewählt

Winterkorn galt bis zu der Piëch-Kritik als gesetzter Nachfolger des VW-Patriarchen als Chefkontrolleur. Neben der Distanz-Ansage zitierte der „Spiegel“ Piëch auch mit den Worten: „Ich strebe an, dass an die Spitze des Aufsichtsrats und des Vorstands die Richtigen kommen.“

Damit schien nicht nur ein Wechsel an die Spitze des Kontrollgremiums unmöglich, sondern auch Winterkorns weiterer Verbleib im Vorstand zumindest fraglich. Während sein Vorstandsvertrag Ende 2016 ausläuft, ist Piëch bis zum Frühjahr 2017 als Aufsichtsratschef gewählt.

Mit der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat und den zwei Vertretern des VW-Großaktionärs Niedersachsen auf der Kapitalseite hatte sich eine Allianz zu Winterkorn bekannt. Insider sagten aber übereinstimmend, dass eine offene Frontenbildung gegen Piëch unwahrscheinlich ist.

Privatmeinung oder mehr?

Der Sprecher des Porsche-Familienzweigs, Wolfgang Porsche, hatte Piëchs Äußerungen als „Privatmeinung“ bezeichnet. Einen Treueschwur für Winterkorn sprach Wolfgang Porsche aber nicht aus.

Der Fußball-Bundesligist VfL Wolfsburg befürchtet für den Fall eines Führungswechsels an der Spitze des Mutterkonzerns keine negativen Folgen. „Das, was man sagen kann, ist, dass das Engagement von VW beim VfL personenunabhängig ist“, sagte Sportchef Klaus Allofs nach der 1:4-Niederlage in der Europa League gegen den SSC Neapel am Donnerstagabend. Zum aktuellen Machtkampf bei VW wollte sich Allofs nicht äußern: „Sie werden verstehen, dass ich das nicht kommentiere.“

Unter Winterkorn war die finanzielle Unterstützung des Vereins durch VW weiter gestiegen. Derzeit erhält der VfL als hundertprozentige Konzerntochter jährlich eine hohe zweistellige Millionensumme.