Milliardenschwere Fonds setzen auf das Stiftungsmodell im Nachbarland, das auf Verhandlungen statt auf einen Prozess setzt. Kommt es zu keiner Lösung, dann werden die Fonds aber klagen.

Stuttgart - Die USA gelten als Eldorado für Anlegeranwälte, weil es dort die Möglichkeit gibt, massenhaft Ansprüche mittels Sammelklage durchzusetzen. Zwar bietet in Deutschland das Kapitalanleger-Musterverfahren mittlerweile auch die Möglichkeit, gleich gelagerte Fälle zusammen abzuhandeln, aber das entsprechende Gesetz gilt als schwer zu handhaben. Findige Juristen haben nun vor einiger Zeit das niederländische Recht als Möglichkeit entdeckt, Ansprüche kostengünstig durchzusetzen. Dort sind Sammelverfahren möglich; der große Nutzen: Urteile von Gerichten in EU-Mitgliedstaaten gelten EU-weit.

 

Deutsche Anlegerschützer unterstützen die Stiftung

Das Vehikel dazu ist eine Stiftung, die in der Regel auf die Initiative von Rechtsanwälten hin gegründet wird. Im Fall des Volkswagen-Skandals gibt es mittlerweile sogar zwei Stiftungen: eine, die sich für die Interessen der geschädigten Autofahrer starkmacht, und eine andere, die sich für die Interessen der Aktionäre einsetzt, die durch den Kurssturz der Aktie Geld verloren haben. Dahinter stehen überwiegend dieselben Anwälte. Vor einigen Wochen haben die Anlegerschützer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bekannt gegeben, dass sie die „Stichting Volkswagen Investors Claim“ unterstützten. Die DSW betrachtet den Weg über die Stiftung als konstruktiven Ansatz, weil im Mittelpunkt der Bemühungen Vergleichsverhandlungen stehen – und kein Prozess. Kurz nach der DSW hat sich auch der Verband Better Finance, der Anleger und Nutzer von Finanzdienstleistungen auf europäischer Ebene vertritt, hinter die Stiftung gestellt.

So sieht das Prozedere aus: Einigen sich die Anwälte und das Unternehmen auf einen Vergleich, dann muss er einem Gericht in Amsterdam vorgelegt werden. Das Gericht prüft unter anderem, ob alle potenziell Geschädigten durch Veröffentlichungen Kenntnis von der Vereinbarung erhalten konnten. Zudem muss die Stiftung eine breite Unterstützung nachweisen können. Nach Bestätigung des Vergleichs hat ein Geschädigter die Möglichkeit, das Angebot anzunehmen oder aber aus dem Verfahren auszuscheiden und die eigenen Interessen auf anderen Wegen zu verfolgen.

Shell und Dexia haben sich auf Vergleiche eingelassen

Das Modell „Stichting“ ist in Deutschland zwar keiner breiteren Öffentlichkeit bekannt, wurde aber bereits mehrfach eingesetzt. Etwa ein halbes Dutzend Konflikte wurden durch das Gericht in Amsterdam gelöst. So wurde im Fall des Finanzkonzerns Dexia mit Sitz in Brüssel anerkannt, dass Anleger durch Finanzprodukte des Instituts einen Schaden erlitten haben. Der Mineralölkonzern Shell räumte im Rahmen der Verhandlungen ein, nicht korrekt über Öl- und Gasreserven informiert zu haben und Anleger damit um Geld gebracht zu haben. In Deutschland unterstützt die Anwaltskanzlei des früheren Bundesinnenministers Gerhart Baum (FDP) in Düsseldorf die VW-Aktionäre.

Der österreichische Anlegeranwalt Eric Breiteneder, der eine treibende Kraft bei der „Stichting Volkswagen Investors Claim“ ist, freut sich über den gegenwärtig großen Zulauf. Das hat weniger mit der Anzahl der Interessenten zu tun, obwohl durch die DSW-Unterstützung einige Tausend Anleger zur Stiftung gekommen sind. Breiteneder geht davon aus, dass die Stiftung bis vor Kurzem 6500 Anleger hinter sich hatte, die etwa 250 Millionen Euro in Wertpapiere des VW-Konzerns investiert haben. Dabei geht es nicht nur um VW-Aktien, sondern auch um Anteilsscheine der Töchter VW und Audi sowie um alle Arten von Schuldverschreibungen.

Jetzt sind auch Prozessfinanzierer dabei

Zuletzt ist die Unterstützung sprunghaft gestiegen, weil sich institutionelle Anleger engagiert haben. Deren Investment gibt Breiteneder mit 12,5 Milliarden Euro an. Namen nennt der Anwalt nicht, aber die Finanzadressen sollen ihren Sitz vor allem in den USA, aber auch in Malaysia, den Philippinen und Hongkong haben. Sollte VW sich weiterhin Vergleichsverhandlungen entziehen, so geht Breiteneder davon aus, dass die von Prozessfinanzierern unterstützten Fonds klagen werden.