Der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und der ehemalige Finanzvorstand Holger Härter müssen vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Täuschung des Finanzmarkts vor.

Stuttgart - Bei der Vorlage der Bilanz am 6. Dezember 2006 sagte der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking einen Satz, der die Spekulationen über die wirklichen Pläne nach dem Einstieg von Porsche bei VW befeuerte. „So wenig ein Schachspieler seine geplanten Züge bekanntgibt, so wenig können wir unsere ganzen Vorstellungen, die wir haben, offen auf den Tisch legen“, meinte Wiedeking damals. Genau 436 Tage zuvor hatte Porsche bekanntgegeben, sich mit knapp 19 Prozent an Volkswagen zu beteiligen, 2006 wurde der Anteil zunächst auf gut 27 Prozent aufgestockt.

 

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart glaubt beweisen zu können, dass Wiedeking ebenso wie der frühere Finanzvorstand Holger Härter mit ihrer Geheimniskrämerei gegen das Gesetz verstoßen haben. Am 17. Dezember 2012 erhob sie Anklage. Der Vorwurf: informationsgestützte Marktmanipulation. Dafür drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe. Die beiden sollen den Finanzmarkt durch falsche Informationen oder das Verschweigen von Informationen über die Porsche-Pläne bei VW getäuscht haben. Die Manager hätten zwischen Frühjahr und Herbst 2008 mindestens fünfmal die Veröffentlichung von Pressemitteilungen veranlasst, in denen dementiert wurde, bei VW heimlich nach der Macht zu greifen. In Wirklichkeit hätten sie jedoch hinter den Kulissen bereits eine Aufstockung auf 75 oder 80 Prozent vorbereitet, um letztendlich in die Kasse der Wolfsburger greifen zu können.

Mit den unrichtigen Angaben, so der Vorwurf, sollte der Kurs der VW-Aktie gedämpft werden, um günstig weitere Papiere erwerben zu können. Als Porsche im Herbst 2008 bekanntgab, sich mit Finanzgeschäften bereits den Zugriff auf 74 Prozent gesichert zu haben, explodierte der Aktienkurs von Volkswagen. Anleger, die den Beteuerungen von Porsche geglaubt und auf einen sinkenden Kurs gewettet hatten, verloren viel Geld. Viele klagen nun zivilrechtlich auf Schadenersatz.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat nun befunden, dass „die hochsensible Beweislage“ die Klärung der Vorwürfe in öffentlicher Hauptverhandlung gebiete, ein erkennbar aussichtsloser Fall liege nicht vor. Mit den von der Staatsanwaltschaft aufgezeigten Beweismitteln, so das Oberlandesgericht, sei eine zu einem Schuldspruch führende Beweisführung denkbar. In seiner 20-seitigen Entscheidung weist der 1. Strafsenat unter anderem darauf hin, dass die Porsche-Gremien schon ab dem Einstieg 2005 auch mit der Option eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vertraut gewesen seien, der den Erwerb einer Beteiligung von 80 Prozent des stimmberechtigten Grundkapitals von VW erforderlich machte. Entsprechende deutliche Hinweise fänden sich etwa in der Präsentation einer Kanzlei vom 14. Juli 2005. In einer Sitzung des Gesellschafterausschusses sei damals die Aufstockung auf über 80 Prozent als Handlungsempfehlung auch einstimmig befürwortet worden.

Nach Darstellung des Oberlandesgerichts legt der weitere Verlauf nahe, dass der Vorstand der Porsche SE bereits seit 2005 die „Vision“ einer Übernahme von VW hatte. Diese „Vision“ habe sich spätestens im Laufe des Jahres 2006 zu einer beschlossenen Absicht verstärkt. Einiges spricht laut Oberlandesgericht zudem dafür, dass auch der Aufsichtsrat am 3. März 2008 de facto bereits grünes Licht für eine Aufstockung der Beteiligung gegeben habe. Anderslautende Protokollniederschriften der Aufsichtsratssitzung hätten ebenso der Verklausulierung der wahren Absichten gedient wie eine zuvor beschlossene Kommunikationsstrategie.

„Wer sich a priori von einer Großkanzlei im Hinblick auf die Veröffentlichungsstrategie beraten lässt, der macht sich auch Gedanken für den Fall eines Scheiterns der Transaktion, welches verprellte Anleger und Ermittlungsbehörden auf den Plan rufen kann“, heißt es in der Entscheidung. In diesem Fall, so heißt es weiter, wäre es misslich, wenn sich möglicherweise wahre Absichten, die ständig dementiert wurden, den Sitzungsprotokollen im Klartext entnehmen ließen.