Auch nach der Amerikareise des VW-Chefs Matthias Müller ist dort kein Fortschritt bei der Bewältigung der durch den Abgas-Skandal ausgelösten Krise in Sicht.

Stuttgart - Es war ziemlich genau vor einem Jahr, als Matthias Müller im Weinberghäuschen der Stuttgarter IHK weit von sich wies, jemals Nachfolger von Martin Winterkorn als Chef des VW-Konzerns werden zu wollen. „Ich bin kein potenzieller Nachfolger von Herrn Dr. Winterkorn“, sagte der damalige Porsche-Chef in einer Diskussionsrunde des Wirtschaftspresse-Clubs Stuttgart. Damals wurde heftig spekuliert, wann Winterkorn abtritt und wer Müller zuhörte, gewann den Eindruck, dass der Manager die letzten Jahre seiner Karriere beim kleinen, aber feinen und hoch profitablen Autobauer verbringen wollte. Schon zuvor hatte er eine Liebeserklärung für die Sportwagenmarke und Stuttgart abgegeben. Drei Monate später hörte es sich bei der Vorlage der Bilanz ganz anders an. „Warum sollte ich mich einer solchen Aufgabe verschließen?“, fragte Müller.

 

Seit er im September dann Winterkorn überraschend abgelöst hat, den der Abgas-Skandal den Job gekostet hat, muss der neue VW-Chef permanent Krisenmanagement betreiben. Es war von vornherein klar, dass sein erster Besuch in den USA, wo die Manipulation der Stickoxidemissionen von Dieselmotoren von der US-Umweltbehörde EPA und deren kalifornischer Partnerbehörde Carb aufgedeckt wurde, besonders heikel sein würde. Wie empfindlich die Amerikaner bei diesem Thema sind, wurde bereits deutlich, als Müller im Oktober einen Quartalsverlust verkünden musste und in einer Telefonkonferenz um Verständnis darum bat, dass er sich vorzeitig ausklinken müsse, weil er die Bundeskanzlerin auf einer Reise nach China begleite. „Warum fliegen Sie nicht in die USA?“, fragte daraufhin ein amerikanischer Journalist spitz und ließ damit erkennen, dass Müller aus seiner Sicht den Ernst der Lage nicht erkenne.

Fauxpas bei einem Radiointerview

Als dann angekündigt wurde, dass Müller die Automesse in Detroit besuchen und danach politische Gespräche in Washington führen werde, stellte der Manager bereits klar, dass er nicht an einen Kniefall denke. Er werde sich entschuldigen, jedoch zugleich selbstbewusst nach vorne blicken, kündigte der Konzernchef an. Dies lief zunächst auch ganz gut, bis ihm am Sonntagabend in einem Interview mit dem Reporter eines Radiosenders ein Fauxpas unterlief und er ausgerechnet vor dem ersten Treffen mit der EPA-Chefin Gina McCarthy die Einschätzung zurückwies, dass VW die Umweltbehörde angelogen habe. Ein Konzernsprecher sagte danach, dass es sich bei dieser Aussage um ein Missverständnis gehandelt habe.

Müller versuchte die Aussage mit einem zweiten Interview zurechtzurücken, doch bei den Amerikanern dürfte dies Irritationen ausgelöst haben. „Volkswagen hatte beschlossen, bei den Emissionstests zu betrügen, und versuchte es dann zu verschleiern“, erklärte Carb-Chefin Mary Nichols am Dienstag. „Sie haben weitergemacht“, so Nichols, „und haben die Lüge noch verschlimmert, und als sie erwischt wurden, haben sie versucht, es abzustreiten.“

Zugleich lehnte die Behörde einen von VW vorgelegten Rückrufplan ab. Zugleich wies sie jedoch darauf hin, dass es weitere Gespräche zur Lösung der Probleme geben solle. Das Treffen von Müller und VW-Markenchef Herbert Diess mit der EPA-Chefin McCarthy am Mittwoch stand nach dieser Vorgeschichte unter keinem guten Stern. Anders als vielfach erwartet, gaben beide nach diesem Spitzentreffen keine großen Erklärungen ab. „Wir wissen es zu schätzen, dass sich die Vorsitzende der EPA die Zeit für ein Treffen mit uns genommen hat“, teilte der Autobauer mit. „Wir begrüßen das Gespräch mit Volkswagen. Wir werden weiter an einer Lösung arbeiten“, erklärte die EPA. Mit mehr sei von Anfang an nicht zu rechnen gewesen, sagte ein Konzernsprecher. Das Gespräch habe dem Kennenlernen gedient. Auch die Ablehnung der im Dezember vorgelegten Rückrufpläne für die Autos mit Zwei-Liter-Motor durch die kalifornische Umweltbehörde Carb sei keine Überraschung gewesen.

Weiterhin schwierige Gespräche

Nach dem Spitzentreffen gehen die Verhandlungen nach Angaben des Sprechers auf der Arbeitsebene weiter. Es sei dabei nicht damit zu rechnen, dass in den nächsten Tagen oder Wochen eine finale Entscheidung falle, denn es müsse weitere Entwicklungsarbeit geleistet werden, und anschließend werde die Umweltbehörde die vorgeschlagenen neuen Lösungen kontrollieren. Dies gilt neben den 500 000 Autos von VW und Audi mit Zwei-Liter-Motor, deren Rückrufpläne die kalifornische Umweltbehörde Carb abgelehnt hat, auch für die größeren Motoren mit Drei-Liter-Hubraum von VW, Audi und Porsche, bei denen eine Software ebenfalls als betrügerisch eingestuft wurde. Dabei geht es um rund 80 000 Autos.

Konzernchef Müller besuchte am Donnerstag das VW-Werk in Chattanooga, bevor es zurück in die Heimat ging. Hier stehen ihm in der nächsten Woche wohl weitere schwierige Gespräche bevor. Dann muss er dem Präsidium des Aufsichtsrats von den Ergebnissen seiner Reise berichten.