Seit knapp zwei Jahren ist W&W-Chef Jürgen Junker an der Spitze des Finanzkonzerns Wüstenrot & Württembergische in Stuttgart. In der kurzen Zeit hat er viele Projekte angestoßen, um das Unternehmen ins digitale Zeitalter zu katapultieren.

Stuttgart - Wenn der W&W-Chef Jürgen Junker in Fahrt kommt, redet er sich warm. Selbst bei so spröden Themen wie Altersvorsorge und Versicherungen, bei denen Menschen eher abwinken, schafft es der 48-Jährige, Aufbruchstimmung zu verbreiten. Das steckt an. Statt zu lamentieren über die Probleme der Finanzbranche redet der ruhige, meist gut gelaunte Chef des Finanzkonzerns Wüstenrot & Württembergische lieber über die neuen digitalen Möglichkeiten. Kreative Köpfe im Konzern haben einiges auf den Weg gebracht, womit das alte Geschäftsmodell des Versicherungs- und Bausparkonzerns weiterentwickelt werden soll. Junker, geboren in Aschaffenburg, lädt seine Botschaft gern mit Geschichten auf, um sie zu verdeutlichen.

 

Eine Geschichte handelt von der Unternehmens-Big-Band, die ein paar Mitarbeiter schon vor Längerem ins Leben rufen wollten. Bisher gab es aber nie grünes Licht von oben, so ein Projekt auch umzusetzen. W&W-Chef Jürgen Junker, stimmte dem Vorhaben zu. Die Mitarbeiter organisierten einen Profi-Dirigenten und seit dem Frühjahr 2018 proben zwei Dutzend Kollegen einmal die Woche am Abend. Das imponiert dem Konzernchef, der die Big Band gleich für einen Auftritt auf dem nächsten Mitarbeiterfest auf dem Cannstatter Volksfest engagiert hat. Die Geschichte soll zeigen: Junker lässt Mitarbeitern Spielräume, fordert aber ehrgeizige Ziele ein.

W&W-Chef Jürgen Junker will einen Funken entfachen

Junker gibt sich im Gespräch „sehr entspannt“. Der Firmenchef, der fast jeden Abend Gäste zu Besuch im Unternehmen hat, sucht den Ausgleich in der Natur – lieber in den Bergen als an der See. Er mag alles, „was den Kopf frei macht“. Seit 2017 steht er an der Spitze von W&W, zuvor war er fast neun Jahre Vorstand der Versicherungsgruppe VHV in Hannover. Dort lebt auch vorübergehend noch seine Familie – bis die Kinder mit der Schule fertig sind.

„Wir haben ein tolles Team“, betont der gelernte Banker und Diplom-Kaufmann. Junker verweist auf viele neue Projekte im W&W-Konzern wie beispielsweise die Digitalmarke Adam Riese im Versicherungsbereich, die Wohnplattform Nist, die Verbrauchern beim Immobilienkauf helfen soll, oder den digitalen Finanzassistenten Treefin oder die App Keleya mit Expertentipps für Schwangere. Die Mitarbeiter haben Spaß daran, etwas zu entwickeln, so seine Überzeugung.

Die Zukunft ist nicht allein digital

„Diesen Funken versuchen wir in allen Bereichen des Konzerns zu entfachen.“ Liegt die Zukunft allein im Digitalen? Keineswegs, sagt Junker, am häufigsten dürfte der Sowohl-als-auch-Kunde werden – der hybride Kunde, wie sie im Konzern sagen – der in bestimmten Situationen des Lebens den Berater seines Vertrauens sprechen möchte, der aber einfache Dinge selbstständig online abwickeln kann. Auch das ist eine Botschaft an die 13 000 Menschen, die für die W&W-Gruppe im Innen- und Außendienst arbeiten.

Junker will die Umwälzungen, die die Branche mit der Digitalisierung erfasst haben, nicht schönreden. „Wir müssen die Sorgen der Mitarbeiter, die sich fragen, was morgen aus ihrem Job wird, ernst nehmen.“ Mitarbeiter zu qualifizieren, ihnen neue Wege aufzuzeigen, sei eine lohnenswerte, spannende und zugleich verpflichtende Aufgabe, versichert er und ist überzeugt: „Wer die digitale Welt erst einmal versteht, der sieht sie nicht mehr als Bedrohung, sondern als Chance.“

Um die Kommunikation mit den Mitarbeitern, aber auch unter den Mitarbeitern zu verbessern, lädt er fünf-, sechsmal im Jahr zu einer Frühstücksrunde ein. In so einer Runde diskutiert er mit 15 bis 20 Beschäftigten aus ganz unterschiedlichen Bereichen dann über die Zukunft des Konzerns. Auch Unangenehmes komme da auf den Tisch. Beeindruckend sei, wie offen und konstruktiv solch ein Austausch ablaufe. „Ich liebe diese Runden“, sagt Junker. „Wenn dieser Konzern stärker zusammenwächst, ist ein enormes Potenzial da.“

Der Fragebogen für W&W-Chef Jürgen Junker

Was macht einen guten Chef aus?

Zuhören, hinschauen, bei Mitarbeitern und bei Kunden. Selbstkritisch sein und bleiben, ebenso aufrichtig. Und klar kommunizieren, klare, lohnenswerte Ziele vorgeben. Nicht zuletzt: gemeinsam Erfolge erreichen und dann auch ein wenig feiern.

Und welche Eigenschaften davon haben Sie?

Diese Einschätzung sollen andere übernehmen. Ich spreche nicht gern über mich.

Wie kommt man so weit wie Sie?

Wahrscheinlich, indem man das, was die Antwort auf die Frage „Was macht einen guten Chef aus?“ist, auch lebt und ist. Und sicher auch durch Fleiß, Einsatz, Wille, erfolgreich zu sein – im Team und als Unternehmen. Mit viel Arbeit, Demut, Bescheidenheit und Dankbarkeit.

Welche Rolle spielte Glück bei Ihrer Karriere?

Was ist Glück, was ist Fügung? Schwer zusagen. Sicher hilft es, ab und an zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle das Richtige zu tun. Ist das dann Glück?

Haben Sie Vorbilder?

Eher Menschen, die ich sehr respektiere, die ich privat wie beruflich begleiten durfte und darf.

Was ist typisch für Ihren Arbeitsalltag?

Früh aufstehen, viel kommunizieren, auch Phasen des Nachdenkens suchen, immer wieder Ziele und Wege dorthin überprüfen, mit Kunden und Kollegen sprechen – und daran Freude haben.

Was würden Sie heute anders machen?

Ich würde jeden Tag etwas andersmachen – und mache es dann.

Von wem können Sie am ehesten Kritik einstecken?

Von Menschen, die ich wertschätze für das, was sie sind und was sie tun.

Womit können Kollegen Sie nerven?

Unzuverlässigkeit, Unaufrichtigkeit, Behäbigkeit und Quengelei.

Und umgekehrt?

Gute Anregung – ich frage mal.

Was raten Sie Berufsanfängern?

Lust am Lernen und Neugier immer zu bewahren. Auch mal vermeintlich Altbewährtes infrage zu stellen. Kritisch und selbstkritisch bleiben, aber immer konstruktiv. Sich vernetzen, nachdenken, klug sein.

Was macht Sie leistungsfähig?

Ein Ziel, für das es sich lohnt, Leistung zu schaffen. Und das gemeinsam mit anderen, mit deren Stärken.