Wer sich nicht von Sachen trennen kann, neigt oft auch zu unkontrolliertem Einkaufen. Die Wabe des Kreisdiakonieverbands Esslingen nimmt sich des Problems an.

Der Fachdienst Wabe des Kreisdiakonieverbandes im Landkreis Esslingen war vor zehn Jahren ein Vorreiter in der Region Stuttgart, als er den Fokus auf die sogenannten „Messies“ legte. Jetzt nimmt das Team ein weiteres Thema in den Blick, das bisher ebenfalls noch nicht überall sichtbar ist und bearbeitet wird: Bei den Wabe-Klienten kommt nicht selten die Problematik der Kaufsucht dazu. Darum dreht sich ein Fachtag in der kommenden Woche.

 

„Bei manchen räumen wir jede Woche die Amazon-Pakete wieder raus“, sagt Maximilian Paech, Sozialarbeiter bei Wabe. Andere kaufen den fünfzehnten Hammer im Baumarkt oder können bei Mode nicht widerstehen. Das muss kein krankhaftes Verhalten sein, aber manchmal ist es das – wenn die Betroffenen ihren Kaufdrang nicht mehr kontrollieren können, wenn er ihr Leben beeinträchtigt oder ihre Finanzen in totale Schieflage bringt. Und wenn die Wohnung vielleicht ohnehin schon voll bis unter die Decke ist.

Foto: Atmane

Letzteres ist der Normalfall bei den Wabe-Klienten. Ihnen fällt es schwer, sich von Dingen zu trennen, sie haben zu jeder der vielen Sachen, die sie umgeben, eine emotionale Bindung. Deshalb helfen „Hauruck-Aktionen“ oder der Appell „Reiß dich zusammen“ nicht weiter. Stattdessen braucht es viel Sensibilität, Zeit und Geduld, um wieder Ordnung rund um die Betroffenen und manchmal auch in ihrem Inneren zu schaffen: „Das gemeinsame Ordnen bringt auch die Person wieder in Ordnung“, sagt Paech. Im Laufe der zehn Jahre Wabe-Arbeit haben er und seine Kolleginnen festgestellt, dass einige ihrer Klienten zusätzlich dazu neigen, „deutlich mehr einzukaufen als sie brauchen“. Das trifft nicht auf alle zu, und nicht alle, die zu viel kaufen, haben auch ein Ordnungsproblem. Aber„es gibt eine Schnittmenge zu Wabe“, sagt Andreas Caspar, Öffentlichkeitsreferent des KDV. Und wie beim „Messie-Syndrom“ steht hinter der Kaufsucht oft eine Depression, eine Psychose oder eine andere psychische Erkrankung.

Die Sozialarbeiter können zwar bei lebenspraktischen Dingen und bei der Bewältigung des Alltags helfen, aber eine Therapie können sie nicht leisten. Dafür müssen sie an Psychologen oder Suchtberatungsstellen verweisen. Die Kaufsucht sei allerdings bisher „nirgendwo so richtig verortet“, stellt Stefan Leidner fest, der Leiter des Fachbereichs Sozialpsychiatrie& Wabe beim Kreisdiakonieverband. Das Ziel wäre aus seiner Sicht, „dass wir wirklich Anlaufstellen haben, wo die Leute sich hinwenden können“. Aber auch jetzt schon versuche man natürlich, für jeden Einzelfall das passende Therapieangebot zu finden. Abgesehen von den psychologischen Hintergründen spielen auch die nahezu unbeschränkten Einkaufsmöglichkeiten eine Rolle: in Geschäften oder im Internet, mit Bargeld oder Karte, mit Kredit oder auf Raten.

Der Fachtag soll ein erster Schritt sein, um das „Kaufthema“ stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Interesse ist da, die Teilnehmenden kommen von verschiedenen Diensten mit ähnlicher Aufgabenstellung wie Wabe aus der Region Stuttgart. Und auch die Referentin freue sich sehr, dass über die Problematik gesprochen werde, berichten die Wabe-Vertreter. Sie konnten Diana Kluska, Oberärztin in der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Reutlingen, als Expertin gewinnen.

Der Fachdienst Wabe – die Abkürzung steht für Wohnraumarbeit für Menschen in desorganisierten Haushalten – ist in Plochingen in der Bahnhofstraße 14 ansässig. Er begleitet derzeit 42 Personen, mehr als Dreiviertel von ihnen sind 50 Jahre oder älter. Entstanden ist Wabe auf Initiative des Landkreises Esslingen, der nach verschiedenen Wohnungsräumungen in seiner Zuständigkeit den Bedarf dafür sah.