Die eindrucksvolle Serie von Carina Vogt ist zu Ende: Erstmals landet die Skispringerin aus Schwäbisch Gmünd bei einem Großereignis nicht auf Rang eins. Dafür jubelt Teamkollegin Katharina Althaus.

Pyeongchang - Echte Größe zeigt sich in der Niederlage. Als Katharina Althaus ihren zweiten Sprung bei 106 Metern aufgesetzt hatte, war klar: Sie hat Silber gewonnen. Mindestens. Und Carina Vogt somit eine Medaille verpasst. Doch die Freude für die Kollegin überwog die eigene Enttäuschung. Also stürmte Vogt auf Althaus zu, fiel ihr als Erste um den Hals. „Ich freue mich unglaublich für Katharina“, meinte die Olympiasiegerin von 2014. Und auch Althaus war überwältigt: „Was für ein megatolles Gefühl! Als ich die Anzeigetafel gesehen habe, wusste ich, dass ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen ist – ich habe eine olympische Medaille gewonnen.“ Nur das Material war noch offen.

 

Nur Lundby springt besser

Denn oben auf dem Schanzenturm stand als letzte Springerin Maren Lundby. Die Norwegerin war vor einem Jahr bei der WM in Lahti im zweiten Durchgang von Rang eins auf Rang vier abgestürzt, und auch sonst hatten ihr schon öfter die Nerven versagt. Diesmal aber hielt sie dem Druck stand, übertrumpfte Althaus sowie die Japanerin Sara Takanashi deutlich. „Katharina ist erst 21 Jahre alt, hat die Zukunft noch vor sich. Diese olympische Einzelmedaille ist phänomenal“, meinte Bundestrainer Andreas Bauer, „doch Maren Lundby ist die verdiente Olympiasiegerin. Sie war heute die Beste.“ Und springt auch sonst ganz gut. Die Norwegerin hat im Weltcup sieben von zehn Wettbewerben gewonnen, Althaus stand immerhin bei allen acht Starts auf dem Podium. „Da waren schon die richtigen beiden ganz vorne“, sagte Carina Vogt, „Olympia ist ein Spiegelbild des Weltcups gewesen.“ Auch bei ihr selbst.

Vogts erster Rückschlag bei einem Großereignis

Vogt schaffte es in dieser Saison nur selten, die Top-Springerinnen anzugreifen. Trotzdem zitterten alle Konkurrentinnen vor ihr, was allerdings nichts mit den Temperaturen von minus elf Grad und dem eisigen Wind zu tun hatte. Sondern mit ihrer Geschichte. Vogt hat erst zwei Weltcupspringen gewonnen, dafür aber das bisher einzige Olympia-Gold im Frauen-Skispringen sowie die letzten vier WM-Titel (2015 in Falun und 2017 in Lahti, jeweils Einzel und Mixed). Bis um kurz vor Mitternacht in Pyeongchang galt sie bei Großereignissen als unschlagbar. „Sie hat sich auch diesmal wieder rechtzeitig in Form gebracht, hätte ganz sicher um die Medaillen springen können“, meinte Bundestrainer Bauer, „doch dazu hätten die Bedingungen stimmen müssen.“ Taten sie aber nicht.

Im ersten Durchgang fegte, ausgerechnet als Vogt an der Reihe war, eine Windböe durchs Stadion. Knapp fünf Minuten musste sie auf dem Turm warten, weder Dehnübungen noch Decken vermochten ihren schmalen Körper warm zu halten. Und als die Ampel dann doch endlich auf Grün schaltete, verhinderte der Wind auch noch einen weiteren Sprung als auf 97 Meter. Die Athletin vom SC Degenfeld zuckte nach der Landung mit den Schultern und zeigte einen ziemlich enttäuschten Gesichtsausdruck, streckte aber gleich danach den Daumen nach oben – ein Signal für den zweiten Sprung? Obwohl Vogt erneut Pech mit dem Wind hatte, verbesserte sie sich immerhin noch auf Rang fünf. „Ich bin zufrieden“, meinte sie danach lapidar, „mehr war heute nicht drin.“

Beim Feiern braucht es keine Sperrstunde

Umso größer war die Freude der anderen, endlich die Wachablösung geschafft zu haben. Auch bei Katharina Althaus (21). „Carina hatte heute kein Glück, ich hätte ihr den Erfolg gegönnt“, meinte die Oberstdorferin, die sich vor dem Springen die Fingernägel schwarz-rot-gold lackiert hatte, „für mich war es absolut überwältigend. Am liebsten würde ich jetzt einfach weiterspringen, so gut bin ich drauf.“ Geht aber nicht. Für die Skispringerinnen gibt es bei Olympia nur den einen Wettbewerb von der Normalschanze. Was allerdings auch einen Vorteil hat: Beim Feiern braucht es keine Sperrstunde. „Bis 5 Uhr morgens wart ihr im Deutschen Haus?“, fragte Katharina Althaus den Olympiasieger Andreas Wellinger, der unter den Zuschauern war und ihr zur Silbermedaille gratuliert hatte, „das schaffen wir locker! Wir feiern richtig gscheit – wie es bei uns in Bayern üblich ist.“

Die Party der deutschen Skispringer in Südkorea geht weiter.