Die deutschen Familienunternehmer sehen in Europa Zeichen eines Verfalls. Das bestätigt die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer mit einer selbstkritischen Rede.

Berlin - Die Familienunternehmen in Deutschland sind in tiefer Sorge um den Zustand Europas. „Der Europäischen Union droht ein multiples Organversagen“, sagte Brun-Hagen Hennerkes, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Familienunternehmen, auf dem Tag des deutschen Familienunternehmens in Berlin. Die Demokratien befänden sich in der Krise, was sich am Zulauf populistischer Bewegungen zeige. Es stelle sich auch die Frage, ob Europa noch Antworten auf die weltpolitischen Herausforderungen habe. Im Handelsstreit drohe der Kontinent von US-Präsident Donald Trump überrumpelt zu werden. Die europäischen Gegenmaßnahmen auf die US-Strafzölle würden Trump nur ein mildes Lächeln abringen.

 

Finanzminister Scholz gegen Schuldengemeinschaft

An der Veranstaltung nehmen 300 Gesellschafter großer Familienunternehmen teil. Im Zentrum der Diskussion steht Europa. Hennerkes mahnte die Bundesregierung, bei der Reform der Eurozone die Tür zur Transferunion nicht einen Spalt weit zu öffnen. „Es muss gelten: Jeder Staat hat seine Schulden zu bedienen.“ Ein Familienunternehmer brachte seine Zweifel gegenüber dem anwesenden Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zum Ausdruck: „Wir machen uns große Sorgen um ein Europa, in das die einen einzahlen und aus dem die anderen herausholen.“

Scholz entgegnete, dass jedes Mitglied der Währungsunion für seine Staatsfinanzen verantwortlich sei. Bei der Weiterentwicklung der Eurozone werde die Bundesregierung dafür sorgen, dass keine Transferunion entsteht. Jedes Mitgliedsland sei selbst für stabile Finanzen verantwortlich, so Scholz. Zugleich müsse es in der Währungsunion aber auch den Willen zur Solidarität geben. Die Diskussion über die Reform der Eurozone dreht sich darum, wie Ländern in einer wirtschaftlichen Schwächephase geholfen werden kann. Scholz machte deutlich, dass es der Bundesregierung in erster Linie auf den Ausbau des Rettungsfonds ESM zum Europäischen Währungsfonds ankommt. Er rechnet in den nächsten Wochen mit einer Einigung.

Das sieht der französische Finanzminister Bruno Le Maire ähnlich. Bis zum EU-Gipfel Ende Juni werde der Fahrplan für die Fortentwicklung der Eurozone stehen, sagte der Minister, der seine Rede auf Deutsch hielt. Europa habe zwar eine einzige Währung, es fehlten aber Schritte zur Wirtschaftsunion. Aus Le Maires Sicht müsse Europa weitere Schritte zur Integration gehen, um nicht als Zuschauer einer neuen Weltwirtschaftsordnung zu enden. Frankreich dringt auf einen neuen Finanztopf, um Euroländern in der Rezession helfen zu können. Le Maire wiederholte auch die französische Forderung, einen eigenen Haushalt der Eurozone zu schaffen, um Investitionen in schwierigeren Zeiten zu fördern. Kanzlerin Angela Merkel hat für diese Idee des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron Zustimmung signalisiert.

CDU-Generalsekretärin zeigt sich selbstkritisch

Eine selbstkritische Europabilanz zog die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. „Das gemeinsame Europa steht zurzeit auf der Kippe“, sagte sie. Die Gefahr eines Zerfalls sei gewachsen. Auf der einen Seite stünden diejenigen, die an die europäische Idee glauben, auf der anderen Seite strebten immer mehr Menschen nach nationalistischen Lösungen. Aufgabe der deutschen Politik sei es, alles dafür zu tun, dass Europa zusammenbleibt. Kramp-Karrenbauer sieht gewaltige Umbrüche in der Gesellschaft. Werte wie die soziale Marktwirtschaft, der freie Welthandel und die transatlantische Freundschaft würden zunehmend infrage gestellt. Die Politik müsse die Errungenschaften erhalten. Für ihre Rede erhielt Kramp-Karrenbauer viel Beifall.