Der Bau- und Heimstättenverein als Eigentümer der Häuser in der Wagenburgstraße 149-153 wollte einen Neubau errichten, doch der Gemeinderat untersagte dies aus denkmalschützerischen Gründen. Nun gibt der Verein auf – und verkauft alle Gebäude.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Überraschende Wende in der teils erbittert geführten Auseinandersetzung um die Mietshäuser in der Wagenburgstraße 149-153: Seit Jahren will der Bau- und Heimstättenverein die Gebäude abreißen und einen Neubau errichten; zuletzt hatte eine Mehrheit des Gemeinderates dies aus denkmalschützerischen Gründen verhindert – jetzt hat sich der Eigentümer entschlossen, sein Vorhaben ganz aufzugeben und die Immobilien in der Wagenburgstraße zu veräußern.

 

Die Angelegenheit hat Bedeutung über den Einzelfall hinaus: Denn es ging auch um den richtigen Umgang mit historischen Gebäuden – und es geht um die Wohnungspolitik der Stadt Stuttgart. Aber der Reihe nach. Die Gebäude sind in den 1920er Jahren von dem bekannten Stuttgarter Arbeiterarchitekt Karl Beer (1886-1965) gebaut worden, sie stehen aber nicht unter Denkmalschutz, weil sie nach dem Krieg stark verändert worden sind. Die Grünen, die SPD und die SÖS/Linke im Gemeinderat wollten den Abriss aber verhindern, weil es sich um ein stadtbildprägendes Gebäude handele, wie Grünen-Chef Peter Pätzold nochmals betonte. Der Bau- und Heimstättenverein verwies dagegen auf die miserable Bausubstanz und den hohen Sanierungsaufwand. Dem Verein kann man übrigens nicht vorwerfen, Karl Beer gering zu achten: Beer gehörte zu den Gründern des Vereins; am Killesberg hat der Verein gerade ein Haus des Architekten gründlich saniert.

Insgesamt 60 Wohnungen stehen jetzt zum Verkauf

Man hört dem Geschäftsführer Ulrich Goeser immer noch an, wie groß die Wunden sind. Nach Beratung mit Experten und Juristen sei klar geworden, dass der ursprünglich geplante Gerichtsprozess gegen die Stadt Stuttgart langwierig und unsicher geworden wäre – am Ende hätte man höchstens die Grundstückskosten erhalten können: „Auf dem Markt ist der Preis um ein Mehrfaches höher“, so Goeser. Aus diesem Grund habe der Vorstand nun beschlossen, das Projekt aufzugeben und zu verkaufen – im Übrigen nicht nur die Gebäude in der Wagenburgstraße 149-153, sondern auch jene in der Talstraße 2, 4, 10 und 14. Ein Käufer könne die Investition auf 50 Jahre abschreiben, der Verein nur auf 18 Jahre; deshalb könne ein neuer Eigentümer ganz anders kalkulieren. Insgesamt sind 60 der 2500 Wohnungen des Vereins in Stuttgart betroffen; da die meisten Mieter angesichts des geplanten Abrisses umgezogen sind, werden laut Goeser nur noch sieben Wohnungen genutzt.

In einem Brief an diese Mieter macht Goeser insbesondere den Grünen schwere Vorwürfe. Manche Volksvertreter scheinen „unter rein ideologischen, vielleicht auch Machtinteressen, heraus gehandelt“ zu haben. Das Ziel des Vereins, kostengünstige Wohnraum zu schaffen, sei torpediert worden: Die Neubauwohnungen hätten acht Euro pro Quadratmeter gekostet, bei einer Sanierung wären es 14 Euro gewesen. Man habe deshalb Zweifel an der Ernsthaftigkeit, mit der die Stadt preiswerten Wohnraum schaffen wolle. Aus dem Gemeinderat hört man umgekehrt, dass der Verein nicht gesprächsbereit gewesen sei und keinerlei Kompromiss akzeptiert habe.

Heftige Kritik an der Bearbeitungsdauer im Baurechtsamt

Goeser will sich nun verstärkt außerhalb von Stuttgart engagieren – in Ostfildern baue man derzeit 100 Wohnungen, dort habe die Baugenehmigung gerade vier Monate gedauert. In Stuttgart müsse man bis zu zwei Jahre darauf warten. Tatsächlich hatten sich im Herbst viele Architekten und Bauunternehmer heftig über die Bearbeitungsdauer im Baurechtsamt beschwert.

Peter Pätzold freut sich, dass die Gebäude erhalten bleiben, sagt aber: „Erfolg haben wir erst, wenn sie saniert sind.“ Daran glaubt Ulrich Goeser nicht: „Die Stadt wird unseren Plänen eines Tages nachtrauern.“ Wie man aus der Branche hört, werde es angesichts des hohen Wohnungsbedarfs in Stuttgart sicher Kaufinteressenten geben. Die schlechte Bausubstanz sei kein Hindernis: „Das ist nichts Außergewöhnliches bei Gebäuden in dieser Altersklasse“, heißt es.