Die Wahlniederlage des republikanischen Kandidaten Roy Moore bei der Senatswahl in Alabama ist auch für Donald Trump ein herber Rückschlag. Ein Beleg für einen Stimmungswechsel in den USA ist dies aber nicht, meint der Washington-Korrespondent Karl Doemens.

Washington - Wer in seiner eigenen Realität lebt, dem kann am Ende selbst der Allerhöchste nicht mehr helfen. Eine kleine Ewigkeit, nachdem die Nachrichtenagenturen den spektakulären Ausgang der Nachwahl in Alabama gemeldet hatten, trat der republikanische Kandidat Roy Moore vor die Kameras. „Es ist noch nicht vorbei“, fabulierte der evangelikale Fundamentalist: „Wir wissen, dass Gott immer noch die Kontrolle hat.“ Da hatte der Herr im Himmel aber längst den Daumen gesenkt und jener im Weißen Haus die historische Niederlage eingestanden: Zum ersten Mal seit 25 Jahren schickt der erzkonservative Südstaat Alabama einen Politiker der Demokraten nach Washington in den Senat. Roy Moore, der buchstäblich auf dem hohen Ross im Wahllokal eingeritten war, geht als Verlierer vom Platz. Ein bigotter Prediger, der unter dem Verdacht steht, Frauen sexuell belästigt zu haben, wurde aus dem Verkehr gezogen.

 

So unerwartet der Wahlausgang in einer der konservativsten Ecken Amerikas ist und so dramatisch seine Auswirkungen auf die Politik in Washington sein werden: Ein Beleg für einen Stimmungswechsel in Trump-Land ist er noch nicht. Der honorige Demokrat Doug Jones hat vor allem gewonnen, weil es ihm gelang, mehr traditionell demokratisch gesinnte Afro-Amerikaner zu mobilisieren. Zudem schreckte offenbar jede dritte weiße Frau davor zurück, Roy Moore ihre Stimme zu geben. Doch die überwältigende Mehrheit der Weißen stimmte immer noch für einen Mann, den wegen seines offenen Hasses auf Schwule und Moslems eigentlich keine Gemeinde zum Bürgermeister hätte wählen dürfen, lange bevor er der Nötigung von 14- und 16-jährigen Mädchen bezichtigt wurde.

Trump unterstützte Moore mit voller Kraft

Diesen selbst ernannten Kämpfer gegen das säkulare Recht, die freie Presse und demokratisch legitimierte Volksvertreter hat kein Geringerer als der Präsident der Vereinigten Staaten zuletzt mit voller Kraft unterstützt. Donald Trump hatte sich auf Moores Seite gestellt, als die Führung der Republikaner wegen der Missbrauchsaffäre auf Distanz ging und prominente republikanische Senatoren seinen Rückzug forderten. Unmittelbar vor der Wahl hatte der Präsident gewarnt, wenn Moore scheitere, werde seine eigene Agenda „ zum Stillstand gebracht“. Moores Niederlage ist daher Trumps Debakel. Nicht nur hat er aus nacktem Machterhalt den letzten Rest moralischer Integrität seines Amtes verfeuert. Auch hat ihn sein Instinkt getrogen, der auf einen neuerlichen Erfolg seiner Anti-Establishment-Kampagne setzte.

Im Senat verfügt Trumps Partei künftig nur noch über eine Stimme Mehrheit. Zwar werden die Republikaner versuchen, ihre Steuerreform noch unter den alten Mehrheitsverhältnissen durchzupeitschen. Die in den eigenen Reihen umstrittene Gesundheitsreform Trumpcare ist jedoch praktisch chancenlos, und kein wichtiges Vorhaben vom Haushalt bis zum Mauerbau kann künftig ohne Hilfe der Demokraten verabschiedet werden. Die Opposition dürfte diesen Hebel nutzen und die Macht der Regierung damit eingrenzen.

Die Demokraten sind wie elektrisiert

Noch weitreichender aber sind die psychologischen Folgen des Alabama-Debakels: Trumps Nimbus als Sieger ist gebrochen. Die Republikaner im Kongress werden daraus ihre Schlüsse ziehen und sich künftig zweimal überlegen, ob sie ihr politisches Schicksal mit dem des Präsidenten verbinden wollen. Zugleich wird der zweite unerwartete Triumph nach dem Erfolg bei der Virginia-Wahl die Demokraten für die Kongresswahlen im nächsten Jahr elektrisieren. Vor allem aber gewinnt die Zivilgesellschaft in den USA ein neues Selbstbewusstsein. Vor gut 60 Jahren nahm im armen und konservativen Alabama die amerikanische Bürgerrechtsbewegung ihren Anfang. Die Niederlage von Roy Moore weist den Weg für die Rückkehr des Landes zu Anstand, Toleranz und Respekt.