Nicht nur mit dem People Mover hat der Bürgermeister Wolfgang Benignus die Bürger bewegt.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Altbach - Als Wolfgang Benignus 2002 in Altbach den Chefsessel bezog, war es zunächst einmal frostig: Ein Fernwärmeversorger und Vorgänger der EnBW hatte damals gemerkt, dass sich manche der Wärmeleitungen in Altbach nicht lohnten. Die Folge: etwa 80 Haushalte drohten, ohne Heizung dazustehen, und in langen Verhandlungen musste der neugewählte Bürgermeister für einen Ersatz sorgen.

 

Wenn Wolfgang Benignus nach 16 Jahren am Freitag aus Altersgründen seinen Abschied nimmt, blickt er auf eine „spannende und schöne Zeit“ zurück. Zwar hatte er in der Bauverwaltung Fellbach sowie als Hauptamtsleiter in Neuhausen bereits kommunalpolitische Erfahrung gesammelt. „Aber ich saß in der zweiten Reihe. Wie es ist, in der ersten Reihe zu sitzen, das habe ich mir nicht träumen lassen.“

Vom Wohl und Wehe der EnBW abhängig

Altbach ist wie kaum eine andere Gemeinde in der Region vom Wohl und Wehe der EnBW abhängig. Der Energieversorger zahlt etwa 70 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen der 6000 Einwohner-Gemeinde, und das ist die Crux. Als das Unternehmen nach der Energiewende in finanzielle Schwierigkeiten geriet, musste Altbach 2,3  Millionen Euro Steuer zurückzahlen, plus 1,1 Millionen Euro Zinsen. Geld, das die Gemeinde längst in die Infrastruktur gesteckt hatte. „Als ich in Altbach ankam, waren die meisten öffentlichen Bauten 40 Jahre alt: die Schule, die Sporthalle, das Hallenbad und das Rathaus.

Die Schule in Altbach bekam eine Mensa mit 50 Plätzen, obwohl damals nur ein Bedarf von zwölf Kindern angemeldet worden war. „Jetzt müssen die Kinder dort in zwei Schichten essen“, sagt Benignus. Während anderenorts die Bäder schließen, hat Altbach an seinem Hallenbad festgehalten, weil es nicht nur wichtig für den DLRG-Vereinssport ist, sondern auch ein unverzichtbarer Teil der sportlichen Ausbildung von Kindern. Das lässt sich die Gemeinde einiges kosten. Etwa 350 000 Euro jährlich pumpt Altbach in den laufenden Betrieb des Hallenbades.

Ein Hausarzt in der Gemeinde ist wie ein Sechser im Lotto

Das Rathaus der Gemeinde ist zu alt, zu dunkel und durch die Esslinger Straße zu sehr vom Ortskern getrennt. Hier hat die Gemeinde lange mit sich gerungen, was sie mit dem freien Grundstück in der Ortsmitte machen sollte. „Zwar sind immer Investoren gekommen mit dem Konzept, Läden, Büros und Wohnungen zu bauen, doch bald sind sie wieder abgesprungen, als ihnen klar wurde, wie schwer es die Läden in der Ortsmitte haben würden“, sagt Benignus. Also plante die Gemeinde ein neues Rathaus und ein Ärztehaus. „Als Sechser im Lotto mit Zusatzzahl“ bezeichnet Benignus die Tatsache, dass sich ein Hausarzt im Ärztehaus ansiedelte. Das Rathaus wird im Februar fertig sein.

Wolfgang Benignus ist es zu verdanken, dass das revolutionäre Konzept des People Mover, eines bogenförmigen Aufzugs, in Altbach verwirklicht wurde, um die Bahnlinie barrierefrei zu überspannen. Immerhin gibt es weltweit nur drei dieser besonderen Aufzüge. Leider wurde das Bauwerk sehr oft von zerstörungswütigen Zeitgenossen lahmgelegt.

Aber auch Niederlagen musste Benignus einstecken. Eine Erweiterung des Industriegebiets gelang nicht, weil die Eigentümer nicht verkauft haben und auch das Baugebiet südlich der Losburgstraße kam nur unter größten Anstrengungen zustande, weil die Eigentümer nicht verkaufen wollten. Leichter fiel der Bau eines Altenheims und von Seniorenwohnungen auf dem Gelände der ehemaligen Firma Hammelehle sowie eine Nachnutzung auf dem Areal der Firma Decoma.

16 Jahre saß Benignus an vorderster Front der kommunalen Entscheidungen. In Altbach wurde er als geschliffener Redner geschätzt und als jemand, der im direkten Kontakt mit den Bürgern stand. Bei der Verabschiedung am Freitag um 19 Uhr in der Gemeindehalle wird Wolfgang Benignus zum letzten Mal in Altbach in der ersten Reihe sitzen. Dann sind seine Frau, seine Enkel und sein Haus auf den Spitzenplätzen seines Lebens.