Die Backnanger Stadträte streiten zwar mitunter wie die Kesselflicker, letztlich fallen die Entscheidungen aber oft mit großer Mehrheit. Das Bürgerforum schießt indes ganz gerne quer und will „weiter den Finger in die Wunde legen“.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Komunalwahl - Im Backnanger Gemeinderat wird zwar mitunter munter, lange und lautstark gestritten. Für die meisten wichtigen Beschlüsse indes gibt es schlussendlich dann doch große Mehrheiten. Im Kommunalparlament sitzen derzeit sechs Fraktionen: CDU (neun Stadträte), SPD (sechs), Bürgerforum Backnang (vier), Bündnis 90/Die Grünen (drei), Christliche Initiative Backnang (zwei) und Unabhängige Bürgervereinigung als sogenannte Zählgemeinschaft (zwei). Zur Kommunalwahl am 26. Mai treten alle Listen außer der Bürgervereinigung wieder an. Insgesamt buhlen indes neun Listen um Gunst der Wähler.

 

Die Christliche Initiative – seit vielen Jahren im Gremium vertreten – ist sicherlich eine Backnanger Besonderheit. Ihr Zugpferd ist der nicht unumstrittene Hausarzt Lutz-Dietrich Schweizer, der zurzeit Schlagzeilen macht, weil er seine Praxis nach rund 30 Jahren wegen eines Streits mit der Kassenärztliche Vereinigung schließt.

Das Bürgerforum hat sich im Zuge des Streits um die – längst vollzogene – Schließung des Kreiskrankenhauses in Backnang 2004 gegründet, diese Liste ist oft der ärgste Kritiker von OB Frank Nopper (CDU) und der Stadtverwaltung. Für Schlagzeilen in der zu Ende gehenden Wahlperiode hat Eric Bachert gesorgt, er saß in den 1990er-Jahre für die SPD im Gemeinderat, später für die Grünen. 2017 wechselte er dann auch zur Überraschung einiger seiner Freunde zum konservativen Bürgerforum. Bachert kritisiert die aus seiner Sicht „verfehlte Flüchtlingspolitik der Kanzlerin Merkel“, die die Kommunen nun ausbaden müssten.

CDU will wieder stärkste Fraktion werden

Mobilität und Wohnen – das sind für die meiste Fraktionen die Backnanger To-Themen. Die CDU-Fraktionschefin Ute Ulfert kritisiert die täglichen Staus, den „Mangel an Parkraum“ sowie den verspäteten und „ungünstig getakteten ÖPNV“. Ulfert: „Für uns steht an: Umsetzung eines intelligenten, digitalen Verkehrsleitungssystems, ausreichender Parkraum an der Mobilitätsdrehscheibe Bahnhof, Umsetzung eines Radinfrastrukturprogramms mit deutlichen Verbesserungen für die Radfahrer.“ Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, müsse die Städtische Wohnbau gestärkt werden. Die CDU könnte sich vorstellen, Investoren eine Quote an preisgebundenen Wohnungen vorzuschreiben. „Wir möchten ein maßvolles Wachstum, das weitgehend ohne Bauland auf der grünen Wiese auskommt.“ Die CDU setzt darauf, dass sie wieder stärkste Fraktion wird.

Für die SPD fasst der Fraktionsvorsitzenden Heinz Franke die wichtigsten Themen so zusammen: „Die Schaffung von öffentlich gefördertem und bezahlbarem Wohnraum, der allen Generationen zu Gute kommt, der weitere Ausbau eines verlässlichen öffentlichen Nahverkehrs und die Einführung eines Zwei-Euro-Tagestickets für Busfahrten im ganzen Stadtgebiet, die Neugestaltung der Achse Bahnhof und Karl-Euerle-Halle.“

Für das Bürgerforum erklärt die Fraktionschefin Charlotte Klinghoffer, der angespannte Wohnungsmarkt lasse sich durch den verstärkten Einstieg der Stadt in den sozialen Wohnungsbau lindern. Eine Sozialwohnungsquote für Bauträger treibe nur die Preise für den Wohnungskäufer nach oben. Ihrer Liste sei es wichtig, auf dem Kaelble-Areal, einer Brache mitten in der Stadt, im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA 2027 in der Region Stuttgart ein Projekt auf die Beine zu stellen. Das Bürgerforum wolle eine Vermittlerposition einnehmen, damit sich der Eigentümer des Geländes, der streitbare Unternehmer Hermann Püttmer, und die Stadt unter Moderation des IBA-Intendaten annähern. Die Fraktion sei für „einen großen stadtplanerischen Wurf für Backnang“. Backnang müsse das Image der Murrmetropole endlich gerecht werden, denn „echte Stadtplanung gibt es aktuell nicht“. In Backnang herrsche Verkehrschaos, deshalb sei eine Ostumfahrung nötig. Klinghoffer verspricht: „Wir werden auch weiterhin den Finger in die Wunde legen und hoffen sehr darauf, dass die Wähler uns einen zusätzliche Sitz bescheren.“

Die Grünen hoffen auf fünf Sitze

Für die Grünen, so deren Fraktionsvorsitzender Willy Härtner, sei das Thema Wohnen besonders wichtig. Innenstadtentwicklung vor der Erschließung von Neubaugebieten – das sei das Motto. Klar sei indes: „ Der öffentlich geförderte Wohnungsbau muss konsequent weitergeführt werden.“ Das Verkehrsproblem in Backnang könne nur gelöst werden, „indem wir sichere Wege und Vorrangstraßen für den Fuß- und Radverkehr zurückgewinnen“. Härtner fordert „ein durchgängiges Radwegekonzept“ um Backnang zu einer fahrradfreundlichen Stadt zu entwickeln. Der Busverkehr müsse weiterentwickelt werden „mit mehr und besser getakteten Verbindungen und einem verbilligten Backnangticket mit dem man alle Stadtteile erreichen kann“. Härtner sagt, er rechne mit etwa 20 Prozent Grünenwählern in Backnang und mit „mindestens fünf Sitzen“.

Topthemen: Wohnen, Bauen, Verkehr

Auch für Lutz-Dietrich Schweizer von der Christlichen Initiative sind die Topthemen Wohnen beziehungsweise Bauen und Verkehr. Seine Liste hätte zudem gerne „Friede zwischen Alt-, Mittel- und Neu-Backnangern“. Schweizer will sich einsetzten für das „Aktivieren von Wohnungen“, sprich Leerstände vermeiden, er fordert „Solidarität mit Armen, Kranken, Schwachen und Flüchtlingen“. Zudem will er weiter kämpfen für ein spezielles Backnanger Kinderbetreuungsgeld, das Eltern erhalten, die ihre Kleinkinder daheim behalten und nicht in eine Kita schicken.

Oberbürgermeister Frank Nopper sagt, die zwei wichtigsten anstehenden Projekte, an deren Verwirklichung die Stadt direkt beteiligt ist, seien der Umbau des alten Bahnhofs und des Areals darum herum zu einer sogenannten Mobilitätsdrehscheibe sowie der Neubau der Karl-Euerle-Halle. Das Bahnhofsprojekt werde rund 15 Millionen Euro kosten, die Stadt werde wohl die Hälfte des Betrags stemmen müssen. Die Halle werde voraussichtlich rund 13 Millionen Euro kosten. Die weiteren wichtigen (privat finanzierten) Projekte, die die Stadt eng begleiten müsse: der Bau der Kronenhöfe mitten in der Stadt, die Bebauung der Oberen Walke sowie des Geländes an der Wilhelmstraße, das zu einem großen Teil der Firma Riva gehört, deren Chef Püttmer sich regelmäßig mit Nopper und der Stadtverwaltung zofft. Zudem müsse sich der neue Gemeinderats darum bemühen, dass die B 14 und der Autobahnzubringer in Richtung Mundelsheim „so schnell wie möglich“ neu- beziehungsweise ausgebaut werden.