Nur ein Dreierbündnis kann den neuen Senat regieren. Es darf die Stadt nicht weiter spalten, kommentiert Katja Bauer.

Berlin - Das Wahlergebnis in der Hauptstadt ist für die Volksparteien nicht nur eine bittere Niederlage. Es ist in dieser einstmals geteilten Stadt das Zeichen für ein trauriges Versagen. Zwar geht durch Berlin seit dem Mauerfall vor 27 Jahren schon immer ein politischer Riss – aber so tief war er sehr lange nicht. Der reiche Südwesten wird zur letzten Bastion der Christdemokraten. Im Osten der Stadt haben sich die Menschen voller Zorn in die Wahlkabinen gestürzt und AfD gewählt – in Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick, Lichtenberg, den Hochburgen der Linkspartei, die hier Volkspartei ist – holen die Kandidaten von Rechtsaußen Direktmandate. Unter den 25 Parlamentariern, welche die AfD ins Abgeordnetenhaus schickt, wird mindestens ein strammer Neonazi sein. Die Wähler hat das nicht gestört. Die SPD, die immer so stolz darauf war, nach dem Mauerfall über die ehemalige Grenze hinweg gesamtstädtische Partei zu sein, hat hier stark verloren. Die gentrifizierte Mitte leuchtet grün. Die einstigen Koalitionäre SPD und CDU sind so schwach wie nie.

 

Die Mehrheiten im künftigen Sechsparteienparlament sind so schwächlich, dass ein neuer Senat nur von einer Dreierkoalition gewählt werden kann, und nicht einmal für Ampelbündnisse reicht es. Die Aufgabe fällt einer SPD zu, die ihre desaströsen 21,7 Prozent als „klaren Regierungsauftrag“ verstehen muss. Einen schwächeren Wahlsieger kann man sich kaum denken. Das gilt auch für Michael Müller persönlich – die Kampagne seiner Partei hießt „Müller, Berlin“, sie war auf ihn als Person zugeschnitten. Das hat die Berliner nicht überzeugt. Woher soll Müller nun die Kraft nehmen, eine Koalition mit zwei Partnern zu bilden, die allen Grund haben, selbstbewusst zu verhandeln? Die Stadt, das zeigt das Ergebnis überdeutlich, bräuchte bei diesen Mehrheiten einen Regierenden Bürgermeister, dem es gelingt, über Parteigrenzen hinweg zu moderieren. Es wird nicht einfach für ihn werden, mit einem rot-rot-grünes Bündnis und einer bürgerlich-rechten Opposition samt brandgefährlicher AfD eine Politik zu machen, die die Stadt nicht weiter spaltet.