Der Kampf zwischen Klaus Wowereit und Renate Künast ist ausgefochten. Die Wahl in Berlin kann klar ausgehen - und trotzdem zum Krimi werden.

Berlin - Mobilisierung ist alles - das gilt bei Wahlen generell, aber am Sonntag gilt es besonders für Klaus Wowereits SPD. Es ist sicher kein Zufall, dass die Partei noch einmal auf ihren Fahrdienst hinwies, den Wähler gerne anfordern können. Denn es könnte am Sonntag ganz schön spannend werden. Zwar ist der vor Monaten erwartete Showdown zwischen dem Regierenden Bürgermeister und seiner Herausforderin, der grünen Spitzenfrau Renate Künast, ausgefochten. Die Grünen liegen nach allen Umfragen weit hinter der SPD bei etwa 20 Prozent, und Renate Künast wird nach der Wahl in die Bundespolitik zurückkehren. Sie nahm sich gut eine Woche vor der Wahl durch eine klare Aussage selbst aus dem Rennen: Im Fernsehduell mit Wowereit erteilte Künast der Möglichkeit einer grün-schwarzen Koalition eine Absage. Das bedeutet ihr persönliches Aus in diesem Wahlkampf, denn sie hatte seit Beginn ihrer Kandidatur immer wieder erklärt, sie stehe für eine andere Rolle als die der Regierungschefin nicht zur Verfügung.

 

Der Amtsinhaber muss sich um sich selbst eigentlich keine Sorgen machen. Allen Umfragen zufolge liegt seine SPD klar vorn bei knapp 30 Prozent, der Wahlsieger wird also aller Voraussicht nach Klaus Wowereit heißen. Aber genau die sichere Erwartung vieler Berliner, nach der "Wowi sowieso wieder gewinnt", macht insbesondere den großen Parteien Sorgen. Denn viele Wähler könnten bei so wenig subjektivem Entscheidungsgefühl zu Hause bleiben. Die Wahlbeteiligung droht also niedrig zu werden. Das begünstigt rechnerisch die kleinen Parteien.

Die Grünen setzen den Abwährtstrend fort

In Berlin könnte das Folgen haben - zwei Umfragen, die kurz vor dem Wahltag veröffentlicht wurden, deuten ein mögliches, wenn auch unwahrscheinliches Szenario an. Nach der Erhebung des Meinungsforschungsinstitutes Info GmbH erreicht die Piratenpartei in Berlin sensationelle neun Prozent - und zöge erstmals in einen Landtag ein. Gleichzeitig sacken die Grünen auf 18 Prozent ab, die SPD liegt bei 31 Prozent. Die CDU kommt auf 22 Prozent, die Linke liegt demnach bei 12 Prozent.

Die Grünen setzen damit ihren Abwärtstrend fort und liegen so schlecht wie zuletzt vor mehr als zwei Jahren. Der Berliner Wert liegt zudem klar unterhalb des Bundestrends. Setzt sich die Abwärtsbewegung fort, könnte die sicher geglaubte Mehrheit für eine rot-grüne Koalition knapp werden. Nach Erkenntnissen der Info GmbH sind es übrigens gerade die Piraten, die viele Grünen-Wähler gewinnen.

Abstimmung über den Weg der Bundesregierung in der Schuldenkrise

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Zwar sehen alle Berliner Umfragen - auch die aktuellste - die bisher noch im Parlament vertretene FDP klar unterhalb der Fünfprozenthürde bei zwischen zwei und vier Prozent, aber am Freitag erregte der neueste Deutschlandtrend der ARD ziemliche Aufmerksamkeit. Der bezieht sich zwar auf die Bundesebene, er ist aber das erste Anzeichen dafür, dass der harte Eurokurs der Liberalen und die dem Volk aufs Maul schauende Haltung von Parteichef Philipp Rösler beim Thema mögliche Insolvenz Griechenlands für die Partei erfolgreich sein könnte: Die FDP kletterte im Deutschlandtrend von drei auf fünf Prozent. Die Berliner FDP erklärt seit Tagen jedem, der es hören will, dass die Wahl in der Hauptstadt auch eine Abstimmung über den Weg der Bundesregierung in der Schuldenkrise sei. Sollte die Landespartei damit punkten und die Wahlbeteiligung niedrig bleiben, erhöht das die Chancen der FDP, doch ins Parlament einzuziehen, was eine rot-grüne Mehrheit noch knapper werden ließe.

Sollte es für Rot-Grün nur sehr knapp oder gar nicht reichen, blieben für Wowereit als Optionen ein rot-rot-grünes Bündnis oder eines mit der CDU. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass am Wahlabend die Karten für einen ziemlich wilden Koalitionspoker gemischt werden. Ein Bündnis mit Linkspartei und Grünen, in dem sich die kleinen Partner jeweils auf Kosten des anderen zu profilieren trachten, gilt als konfliktträchtig. Eine Koalition mit der CDU hatte Wowereit nie ausgeschlossen - andererseits steht er als Person für das Ende der Berliner Großen Koalition.

Ein Wahlausgang mit starken Piraten und einer wieder erstarkenden FDP wäre in einem themenarmen Wahlkampf auch ein Zeichen dafür, dass die Wähler sich einerseits für Protest und andererseits für Populismus entschieden hätten.