CDU-Vize Andreas Jung hofft als Lehre aus den französischen Wahlen auch in Deutschland auf einen gemeinsamen Kampf der demokratischen Mitte gegen die Radikalen.

Berliner Büro: Norbert Wallet (nwa)

 

Die mühsam aufgebaute republikanische Front gegen Rechtsaußen hat gehalten: Frankreichs Wählerinnen und Wähler haben eine Regierungsübernahme der Rechtspopulisten in der zweiten Runde der Parlamentswahl verhindert. Andreas Jung, CDU-Vize und ehemaliger Co-Vorsitzender des Vorstandes der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, sieht nun die Stunde des französischen Parlaments gekommen.

Herr Jung, was ist die Lehre aus dem französischen Wahlergebnis?

Die Lehre ist, dass wir um unsere Demokratie und um stabile Mehrheiten kämpfen müssen und dass dieser Kampf sich lohnt und zu gewinnen ist.

Ist der Preis, den der französische Staatspräsident zahlen muss, nicht zu hoch? Er kann sich nicht mehr auf eine eigene parlamentarische Mehrheit in der Nationalversammlung stützen, und die Linksextremen haben Möglichkeiten zu erheblicher politischer Einflussnahme bekommen.

Jetzt schlägt die Stunde des Parlaments. Hier müssen nun Wege für eine stabile Mitte gefunden werden. Macron ist ein hohes Risiko eingegangen – und er hat nicht verloren: Die Erzählung, dass der Aufstieg Marine Le Pens zur Präsidentin unaufhaltsam sei, ist gestoppt. Sie wurde nur dritte Kraft. Aber er hat eben auch nicht gewonnen, sondern ist in der Tat geschwächt. Jetzt kommt es darauf an, dass im Parlament die konstruktiven Kräfte der breiten Mitte zusammenkommen, Kompromisse finden und eine stabile Koalition schmieden. Nämlich Macrons Bewegung und die moderaten Republikaner einerseits, die sich klar gegen den Rassemblement National abgegrenzt haben, und auf der anderen Seite der politischen Achse moderate Sozialisten und Grüne – ohne die radikalen Kräfte der extremen Linken. In dem Wahlergebnis zeigt sich übrigens auch eine Ironie der Geschichte: Macron ist einmal mit der Absicht angetreten, Konservative und Sozialisten politisch zu zerstören - und genau die braucht er jetzt für sein politisches Überleben.

Was aus den französischen Ereignissen ist auf die deutsche Situation übertragbar?

Schauen wir mal auf die Lehre für uns als CDU: In Frankreich hat ja Eric Ciotti, der Vorsitzende der Republikaner, unserer Schwesterpartei, in einem Alleingang ein Bündnis mit Le Pen schmieden wollen. Zum Glück hat sich die Breite der Partei dagegen aufgelehnt und eine Annäherung an die Rechtspopulisten und Rechtsextremen verhindert. Ciotti ist mit seinem Kurs krachend gescheitert. Das bestätigt uns in unserem klaren Kurs der Abgrenzung zur AfD mit der Brandmauer. Zweitens meinen ja manche schon jetzt ganz sicher zu wissen, dass die AfD bei den anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland auf dem ersten Platz landen werde. So sicher, wie nach Europawahl und erstem Wahlgang in Frankreich viele geglaubt haben, dass Le Pen den Durchmarsch schaffen würde. Das ist nicht passiert, weil sich das Land dagegen aufgelehnt hat und viele Menschen zur Wahl motiviert werden konnten. Das zeigt: Es ist alles andere als unabwendbar, dass die Radikalen gewinnen. Der Einsatz dagegen lohnt sich. Die Konsequenten müssen allen klar vor Augen geführt werden.

Ist es auch eine Lehre, dass die Union darüber nachdenken müsste, ihr Nicht-Verhältnis zu den linken Parteien zu modifizieren?

Wir zeigen eine klare Kante gegenüber allen Extremisten. Dabei bleibt es. Aber wir haben als Union eine lange Tradition, nicht nur mit der FDP, sondern wenn es nicht anders geht, auch mit Kräften der linken Mitte zusammenzuarbeiten – also mit SPD und Grünen. Das ist ja genau das, was nun in Frankreich die mögliche Lösung wäre. Kompromissbereitschaft in der demokratischen Mitte – das ist ein hoher Wert. Davor steht aber das Ringen um den besten Weg. Darum geht es jetzt in Deutschland. Und darum führen wir jetzt zurecht keine Koalitionsdebatten.

Was bedeutet das Wahlergebnis für die künftige deutsch-französische Zusammenarbeit?

Das muss man abwarten. Wir wissen nicht, ob die von mir beschriebene Wunschvorstellung, ein Bündnis der breiten demokratischen Mitte, zustande kommt. Wenn nicht, bleibt die bedrückende Feststellung, dass im Parlament eben nicht nur die rechtsextremen Kräfte stark sind, sondern eben auch die extreme Linke. Deren Kopf Jean-Luc Mélenchon fährt seit Jahren einen antideutschen Kurs, er ist europaskeptisch und sieht die deutsch-französische Partnerschaft sehr kritisch. In dieser Situation muss Deutschland klarmachen, dass wir gerade jetzt weiter auf Partnerschaft setzen und unsere Hand ausgestreckt bleibt. Besser als in den letzten Jahren praktiziert müssen französische Initiativen und deutsche Initiativen produktiv zusammen gebracht werden. Bei oft unterschiedlichen Auffassungen gehört dazu auch einmal Streit, aber vor allem der unbedingte Wille, zusammen Europa voranzubringen.