Nach der Parlamentswahl in Italien warnen führende EU-Abgeordnete vor einer Regierung unter Führung der postfaschistischen Politikerin. Scharfe Kritik gibt es auch an den Konservativen im Europaparlament.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel pendelt zwischen Ratlosigkeit, Besorgnis und Bestürzung. Gerätselt wird, welche Auswirkung der Sieg der Postfaschisten bei der Wahl in Italien auf die Geschlossenheit in der Europäischen Union hat. Just in Zeiten, in denen die Einigkeit Europas im Kampf gegen Kremlchef Wladimir Putin und gegen die explodierenden Energiekosten als Folge des Ukraine-Krieges gefragt ist, bangen manche vor einem Ausscheren Roms.

 

Kritik aus fast allen Parteien im Parlament

„Dieser beispiellose italienische Rechtsrutsch hat massive Auswirkungen auf Europa und die Europäische Union“, prophezeit Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament. „Italien als Gründungsmitglied und drittstärkste Wirtschaft der EU steuert auf eine antidemokratische und antieuropäische Regierung zu.“ Die Fratelli d’Italia kommen mir ihrer Allianz, der auch die rechtspopulistische Lega und die konservative Forza Italia angehören, auf eine klare Mehrheit im italienischen Parlament.

Die EU-Kommission gibt sich nach dem Wahlsieg der euroskeptischen Rechten in Italien bedeckt. Es heißt lediglich, man hoffe auf eine „konstruktive Zusammenarbeit“ mit der neuen Führung in Rom. Die Kommission arbeite grundsätzlich mit jeder Regierung in der EU zusammen, die aus Wahlen hervorgehe, sagte der Kommissionssprecher Eric Mamer am Montag in Brüssel. „Das ist dieses Mal auch nicht anders. Wir hoffen natürlich auf eine konstruktive Zusammenarbeit“, fügte er hinzu.

Zweifel an Melonis Haltung zu Europa

In den Wochen vor der Abstimmung versuchte Wahlsiegerin Giorgia Meloni, Chefin der Partei Fratelli d’Italia, Bedenken innerhalb der EU zu zerstreuen und versicherte, dass sie fest an der Seite Europas stehe. Katharina Barley (SPD), Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments, hält solche Aussagen allerdings für „Lippenbekenntnisse“. Meloni könne nicht darüber hinwegtäuschen, „dass sie eine Gefahr für das konstruktive Miteinander in Europa darstellt“, warnte Barley. Die Autokraten bekämen mit ihr „eine Lobbyistin im Rat, also der Vertretung der 27 EU-Mitgliedsländer, um Sand ins Getriebe der EU zu streuen“.

Viele Augen sind nun auf die Konservativen im Europaparlament gerichtet. Denn die extremen Rechten können in Italien wohl nur eine Regierungsmehrheit mit der konservativen Forza Italia von Silvio Berlusconi bilden. Seine Partei gehört der EVP-Fraktion im Europaparlament an. „Gerade die europäischen Konservativen rund um ihren Chef Manfred Weber tragen für diese Entwicklung eine große Verantwortung“, prangert der Grünen-Politiker Rasmus Andresen an.

Kritik an Wahlkampfhilfe für Berlusconi

Für Empörung sorgte im Wahlkampf, dass sich der CSU-Mann Weber für die Wahl Berlusconis starkmachte, obwohl klar war, dass dieser eine Allianz mit den Postfaschisten eingehen würde. „Die Europäische Brandmauer gegen Rechts ist durch Manfred Webers Wahlkampfhilfe für dieses Bündnis eingestürzt,“ erklärt Andresen. In dasselbe Horn stößt Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten im Europaparlament. Er beschuldigt die Konservativen zu „Steigbügelhaltern für Postfaschisten“ zu werden. Und Geier erinnert daran, dass die Konservativen auch bei der jüngsten Wahl in Schweden mit den extrem-rechten Schwedendemokraten eine Regierung bilden wollen.

Kritik aus dem konservativen Lager im Europaparlament an der Unterstützung Webers für Berlusconis Allianz mit Italiens extremen Rechten ist nicht zu vernehmen. Sein CSU-Parteifreund und wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber, verlangt aber, dass von der neuen italienischen Regierung „nun schnell ein klares Bekenntnis für Europa ausgehen“ müsse. Einen Konflikt mit Brüssel könne sich Rom nicht leisten.

Sorge um die Stabilität Europas

Der CSU-Mann macht sich Sorgen um die finanzpolitische Stabilität Europas. Eine Staatsverschuldungsquote von mehr als 150 Prozent könne sich „schnell zu einem handfesten Problem auswachsen“, warnt er. Langfristig müsse Italien „runter von den hohen Schulden“. Ob sich die zukünftige Regierung in Rom allerdings an solche Ratschläge hält, ist mehr als ungewiss. Die rechten Parteien sind mit teuren Wahlgeschenken auf Stimmenfang gegangen. So sollen die Folgen von Energiekrise und Inflation durch massive Steuersenkungen abgefedert werden - ohne Erklärung, wie die finanziert werden sollen. Der ehemalige Innenminister Matteo Salvini, Chef der rechtsnationalen Lega und wohl auch Teil der neuen Regierung, will dafür sogar den gigantischen Schuldenberg Italiens weiter vergrößern und die Neuverschuldung um mindestens 30 Milliarden Euro erhöhen. Zu der von Markus Ferber erhofften „Beruhigung der Märkte“ würde das nicht führen.