Bei den ersten wichtigen Wahlen dieses Jahres in Österreich werden die Freiheitlichen schwere Einbußen erleiden. Noch aber gehört ihnen die Macht. Und hinter ihnen stehen die Leute um den neuen Populisten Frank Stronach.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Klagenfurt - Ferlach/Borovlje, wie es jetzt erfreulicherweise ganz selbstverständlich auf der Ortstafel heißt, nach jahrzehntelangem Streit über die Rechte der slowenischen Minderheit. Kärntens südlichste Stadt, mitten im Rosental, an dessen Eingang sich vor viereinhalb Jahren Jörg Haider totgefahren hat; Haider, dessen Erben im Land noch gespenstisch umgehen. Man wird sehen, wie. Heller Mittag.

 

Wolfgang Waldner, Landrat der ÖVP, hat einen dieser Betriebsbesuche vor sich, die so unternommen werden in Wahlkampfzeiten, bei Hambrusch, Jagdwaffen, gegründet 1752, die Tradition geht viel länger zurück. Bereits Ferdinand I. bestellte viel „spanisch Ror“ in Ferlach, die Büchsenmacher sind hier daheim. Der Seniorchef der Familie, „in dreizehnter Generation“ am Amt, schenkt Vogelbeerenschnaps aus, randvolle Stamperl.

Waldner spitzt die Lippen. Wolfgang Waldner ist 56 Jahre alt, in Villach geboren und dann – wie viele Kärntner, damals wie heute – mangels größerer Perspektiven außer Landes gegangen. Über ein Jahrzehnt leitete er das österreichische Kulturinstitut in New York, dann genauso lang das Museumsquartier in Wien. Ein kultivierter Mensch. Wenn man ihn fragt, wieso er sich nach all den Jahren wieder Kärnten antut, wo man mit Manieren in politischen Zusammenhängen nicht unbedingt weit kommt, sagt Waldner, er habe die Sache „als Herausforderung“ betrachtet. Als „Challenge“, setzt er nach. Er sei ja von dort. Und er möge die Leute – ihre Rauheit, Unbändigkeit, Kraft. Kärntens Potenzial.

Waldner macht falsch, was man falsch machen kann

Problematisch ist, dass die Kärntner dies alles nicht ausreichend wissen, denn Waldner geht das Selbstdarstellerische doch einigermaßen ab. Nur zum Beispiel macht er innerhalb von drei Minuten bei Hambruschs so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann bei einer Betriebsbesichtigung auf dem Lande. Zuerst stellt er sich als „Doktor Waldner“ vor, was im selbst auf hohen Ebenen duzversessenen Kärnten seltsam kommt. Dann verschränkt er (Todsünde auf Tour!) die Arme vor der Brust, während sich der Präsident der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl, kundig – oder zumindest scheinkundig – über Waffenspezifika austauscht: „So a scheens Nussholz! Und san des acht Millimeter? Na, ideal!“

Man hat bei Hambruschs im Übrigen immer gleich den Gegenwert einer kleinen Eigentumswohnung zwischen den Fingern, wenn man ein Schießgewehr anrührt. Alles Handarbeit und nur auf Vorbestellung, Wartezeit manchmal drei Jahre. Waldner überwindet sich ein bisschen und geht auf den Werkstattmeister zu: „I hab auch schwarze Händ“, sagt Waldner. „Bin a Schwarzer.“ Der Werkstattmeister nickt.

Ein Retter für die krisengebeutelte ÖVP

Waldner ist nach Kärnten gekommen, als die ÖVP vor rauchenden Parteitrümmern stand. Das war im letzten Jahr. Der Landrat Josef Martinz (Kärnten hat eine Proporzregierung), ein Mann, der immer für den freien Abschuss von Bären und Wölfen stimmte, hatte im Rahmen des Hypo-Alpe-Adria-Deals fingierte Millionenhonorare zur ÖVP umgeleitet, wurde angeklagt und zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, aber nach dem Prozess um den bestochenen Gutachter Dietrich Birnbacher bekam das letzte Fell, das Jörg Haider in Kärnten hinterlassen hat, noch mal Löcher. Lag in Fetzen da.

Während die ÖVP den Weltmann Waldner aus dem Außenministerium in Wien abordnete und ihm im Rahmen eines „Nimm 2“ getauften Paketes den leutseligen Gabriel Obernosterer an die Seite stellte, tut die FPK (wie die FPÖ in Kärnten heißt) so, als habe es Verfehlung und Korruption nie gegeben. Wenn man Gerhard Dörfler, Haiders Nachfolger als Landeshauptmann, darauf anspricht, sagt Dörfler: „Bin ich der Herr Birnbacher?“ Aber Dörfler ist auch sonst ein eigenes Kapitel.

Kärnten sei im Würgegriff der Freiheitlichen

Vor vier Jahren holte er 45 Prozent – im Schatten der in Kärnten gesunkenen Sonne, als die Dörfler Haider im Wahlkampf noch einmal verkaufte. Wenn es diesmal dreißig werden, hat Dörfler Glück gehabt. Waldner gibt ihm nicht einmal mehr die Hand. Als er in Klagenfurt in der Regierung anfing, erhielt er eine Unmasse Aufgaben. Dann wurde ihm das Personal entzogen. Waldner kann arbeiten wie ein Pferd, aber für dumm verkaufen lässt er sich nicht. Kärnten, sagt er, sei „im Würgegriff der FPK“. Das Land ist auf Export und Tourismus angewiesen. 900 Millionen Euro werden im Jahr mit Ersterem umgesetzt. Das gehe, meint Waldner, nicht ohne Offenheit und keinesfalls mit „verhaltensauffälligen Politikern“. Das bezieht sich auf Dörfler und den FPK-Finanzreferenten Harald Dobernig, der gerne streut, dass er keine Kreditkarte hat, keine Bücher liest und auch nicht ins Ausland fährt. Was sollte er da? Die FPK wirbt mit dem Schlager „Kärnten, mein Kärnten“.

Immerhin ist es Waldner gelungen, eine zumindest in einer Frage einige Opposition zu schmieden. SPÖ, Grüne und ÖVP verzichteten vor den Neuwahlen auf jedwede Plakataktionen. Nun sieht man nur Gerhard Dörfler kleben, der sich zusätzlich aus Landesmitteln Broschüren drucken ließ, die genau so ausschauen wie welche von seiner Partei. Nicht nur in diesem Punkt gilt unvermindert das Prinzip Haider: Land und Staat und die Freiheitlichen seien eins. Alle Grenzen verschwimmen. Und wo es keine Grenzen gibt, gibt es auch keine Gesetze. Zumindest keine verbindlichen.

Eine Politik des Handschlags

Andererseits versucht Dörfler Haider beziehungsweise dessen Systematiken geradezu auffällig herauszuhalten aus seiner Kampagne. Es gehe nicht mehr um Haider, sagt Dörfler, sondern um ihn als Landeshauptmann. Und habe er etwa nichts geleistet? Der Koralmtunnel wird gebaut. Die Euregio Senza Confini wächst zusammen. Dörfler ist viel in Slowenien und Italien unterwegs. Er macht Handschlagspolitik.

Abends kommt er pünktlich und sehr aufgeräumt zum Kirchenwirt in Gneisau, nördlich vom Ossiacher See. Er ist Jahrgang 1955 und könnte der Sohn von manchen der dreißig Besucher in der Stube sein. Dörfler ist aber ganz Vater – und Landesvater vor allem. Am ersten Ecktisch sitzt seine Tochter. Er hat ein Paket unterm Arm, das besteht aus Presseausschnitten, farbig markiert. Ganz nach Sujet und Rededauer zieht Dörfler treffsicher die passenden Passagen heraus. So wirkt er wie ein Handelsvertreter in eigener Sache. Immer eine Antwort auf eine Frage, die noch keiner gestellt hat. Immer eine Lösung parat. Sie wählen – wir helfen.

Den Ortstafelstreit hat ausgerechnet Dörfler beendet

Erstaunlich ist, dass der beendete Ortstafelstreit für ihn eine so große Rolle spielt. Dazu muss man sagen, dass keiner, wirklich keiner, in Kärnten Dörfler zugetraut hätte, ihn zu beenden. Er ist über viele Schatten und Haiders Leiche gesprungen und hat den Slowenen als Minderheit ihr Recht verschafft. „War das nichts?“, fragt Dörfler rhetorisch, aber sein Publikum murmelt nur. Der Stammklientel der Freiheitlichen ist das Thema unangenehm. Weiterhin sagt Dörfler, was er immer sagt, auf jeder Kundgebung: dass er nicht für die Partei arbeite, „sondern für Menschen“. Dass er nie „Bestandteil eines Systems“ gewesen sei. Überhaupt, was wäre das, ruft Dörfler laut: „Ein System?“ Und leiser: „Haider.“

Was da war, haben in Kärnten meistens die Grünen aufgedeckt – und nicht selten deren Abgeordneter Rolf Holub. „Entschuldigung“, sagt Holub dann meistens zur Einleitung, „aber es geht nicht anders“, und man merkt, wie es einen verletzt, der sein Land liebt, wenn das Land ausgenommen wird von Leuten, die meist nur davon singen lassen, dass sie es lieben. Kärnten wird es – anders als Niederösterreich, wo Erwin Pröll von der ÖVP in der Manier eines Sonnenkönigs das Land verwaltet – nicht leicht haben nach der Wahl am Sonntag. Die Opposition hat bereits angekündigt, Dörfler auf keinen Fall zum Landeshauptmann zu wählen.

Landesaufträge für die parteieigene Werbefirma

Peter Kaiser, ein für SPÖ-Verhältnisse sehr intellektueller Mensch, könnte in den Bereich von Dörflers Werten kommen, aber auch Kaiser ist belastet, weil er die parteieigene Werbefirma mit Landesaufträgen gefüttert haben soll. Bis Ende der achtziger Jahre hatte die SPÖ Kärnten in der Hand, hernach geriet die Gegend unter die Fuchtel der Freiheitlichen. Wird sich etwas ändern? Gerhard Köfer meint: Ja. Köfer ist eine interessante Figur. Seit urdenklichen Zeiten Bürgermeister in Spittal an der Drau und immer in der SPÖ, ist er zuletzt ins „Team Stronach“ gewechselt – hin zu dem betagten austrokanadischen Milliardär, der die Dinge in Österreich simplifizieren will. Köfer möchte „nicht ausschließen“, am Ende Dörfler zu wählen.

Interessant ist, wem die Kärntner Slowenen ihre Stimme – neben den Grünen – geben würden. Der Obmann Vladimir Smrtnik will eine Empfehlung nicht aussprechen, sagt aber seinen Leuten, dass ihm nicht entgangen sei, welch „frischen Wind“ der Landesrat Wolfgang Waldner nach Klagenfurt gebracht habe. Man erkenne da einen völlig neuen Stil. Das freut Waldner natürlich. Nützen wird es ihm nichts. Die Slowenen erheben ihre Stimmen in Kärnten. Aber sie sind doch wenige. Und die Macht haben Haiders Leute: Gespenster des toten Mannes. So lebt er fort.