Jubel bei Union, FDP und Grünen, Fassungslosigkeit bei der SPD. Das Ergebnis an der Küste ist für alle ein Schock, die glaubten, allein schon der Antritt von Martin Schulz garantiere die Schlüssel zum Kanzleramt.

Berlin - Man war sich mit Blick auf Schleswig-Holstein so sicher im Willy-Brandt-Haus, übermütig geworden durch die Euphorie, die der Neustart der SPD mit Martin Schulz an der Spitze entfacht hatte. Das Wahlergebnis im Saarland Ende März war zwar ein Dämpfer, aber dort hatte die SPD ja immerhin ihr Ergebnis noch einigermaßen halten können. „Amtsbonus“, sagten da die Routiniers. Die Beliebtheitswerte von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hätten an der Saar am Ende den Ausschlag gegeben, weshalb es auch den größten Pessimisten in der SPD wie ein Naturgesetz erschien, dass exakt aus diesem Grund auch der Amtsinhaber Torsten Albig das bessere Ende für sich haben würde. Dass es eng werden könnte, hatte niemand geglaubt. Und nun wurde es nicht einmal eng, Albig wurde abgehängt.

 

Die Erzählung von Schulz, dem Überflieger, taugt nicht mehr

Natürlich verweist man jetzt bei der SPD auf Torsten Albigs schwache Performance im Wahlkampf, sein merkwürdig privates Interview in der „Bunten“, seine Weigerung, abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abzuschieben. SPD-Vizechef Ralf Stegner, der auch Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein ist, übernahm umgehend die Aufgabe, den Kanzlerkandidaten Schulz vor Infektionsrisiken zu schützen. Am Bundestrend lag es nicht, sagte er in Kiel: „Wir müssen am Ende die Ursachen bei uns selbst suchen“.

Das ändert nichts daran, dass die schöne Erzählung von Martin Schulz, dem Überflieger, nicht mehr taugt. An diesem Montag will Martin Schulz eigentlich bei einer Rede vor der IHK Berlin erste wirtschaftspolitische Akzente setzen. Das wird aber nun kaum einen interessieren. Er wird sich vielmehr der Frage stellen müssen, ob er einen Plan B hat, mit dem er den Tiefschlag abfangen kann. Wer ihm in den vergangenen Tagen begegnete, der ahnt: Er hat ihn nicht. Als er am Abend vor die Kameras trat, sah man ihm an, wie sehr ihn das Ergebnis erschüttert hat. Dieser „traurige Wahlabend“ gehe „unter die Haut“. Mit bebender Stimme sagte Schulz: „Ich ärgere mich höllisch.“

Gute Laune bei Liberalen und Grünen

Ganz anders die Stimmung bei den Liberalen, deren Frontmann Wolfgang Kubicki ein Ergebnis einfuhr, das die im Masterplan „Bundestagswahl“ hinterlegte Erwartung deutlich übertrifft. Er kann bei der Regierungsbildung an der Küste ein gehöriges Wörtchen mitreden. Und er wird das gewiss so lautstark tun, dass es auch der Rest der Republik mitbekommt. Wenn jetzt auch noch FDP-Chef Christian Lindner in Nordrhein-Westfalen zweistellig abschneiden sollte, dann ist die FDP mit Blick auf die Bundestagswahl am 24. September voll auf Kurs.

Auch die Grünen zeigten sich erleichtert über den guten Wert von Robert Habeck. Endlich mal wieder eine Erfolgsmeldung. Das wird allerdings auch die Debatten befeuern, ob man nicht doch besser Habeck als Spitzenmann in die Bundestagswahl hätte starten lassen sollen.

Merkel kann sich in ihrer Gelassenheit bestätigt fühlen

Mit besonderer Genugtuung wird Kanzlerin Angela Merkel das Ergebnis zur Kenntnis nehmen. Sie hatte stets Gelassenheit eingefordert, als in der Union einige angesichts des anfänglichen Höhenflugs von Schulz schon in Panik zu verfallen drohten. Nicht, dass sie ihn nicht ernst nähme, aber sie ahnte, dass die „Flitterwochen“ von SPD und Kandidat enden würden, noch bevor der heiße Wahlkampf überhaupt begonnen hat.

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn hatte die Aufgabe, den Stachel in der klaffenden Wunde der Sozialdemokratie zu versenken. „Rot-Grün wird reihenweise abgewählt“, sagte er. Das werde auch in Nordrhein-Westfalen der Fall sein. In jenem Land also, das die Genossen die „Herzkammer der Sozialdemokratie“ nennen. www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.wahl-in-schleswig-holstein-schulz-geht-die-luft-aus.38086dec-55fd-443b-8721-a8754b253a1c.html