Nach der Wahl in Schleswig-Holstein nimmt die SPD das Heft in die Hand. Der CDU fehlt ein Koalitionspartner.

Kiel - Die SPD hat fünf Prozent zugelegt, und doch muss SPD-Spitzenmann Torsten Albig eine seltsame Tristesse seiner Genossen vertreiben: „Wenn wir erst mal in der Staatskanzlei sind, dann kriegen die uns da nie wieder raus“, ruft er ihnen zu und: „Ein Mandat mehr ist ein Mandat mehr: Unsere Koalition steht.“ Albig steuert auf Regierungskurs, und er sieht das Recht auf seiner Seite. Regieren dürfe, wer eine Mehrheit zusammenbekomme und nicht die Partei mit den meisten Stimmen. In der Tat hat Albig die stärksten Bataillone, mit den Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband kommt er auf 35 der 69 Sitze im Landeshaus. Das reicht zur Dänen-Ampel, die Albig aber lieber Schleswig-Holstein-Ampel nennt.

 

Eine Stimme Mehrheit ist denkbar knapp, doch sie müsste genügen, zumal die Piraten am Montag erklärten, dass sie bereit seien, die neue Regierung punktuell zu unterstützen, wenn es inhaltliche Übereinstimmungen gebe. Gleichwohl war eine tiefe Verunsicherung bei den Genossen zu spüren wegen des „Fluches“, der auf der Dänen-Ampel lastet. Der „Heide-Mörder“, der 2005 die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis scheitern ließ, wird schließlich immer noch gesucht.

CDU-Spitzenmann de Jager ohne eigenes Mandat

Auf den Faktor Unsicherheit setzt die Kieler CDU, die sich am Wahlabend zwar trotz des Verlustes der Regierungsmehrheit als Sieger gebärdete, weil sie mit 30,8 Prozent der Stimmen hauchdünn vor der SPD mit 30,4 Prozent liegt. Doch ihr Spitzenmann Jost de Jager verfügt noch nicht einmal über ein eigenes Mandat, weil die CDU 22 Direktmandate gewann – genauso viele Sitze, wie ihr zustehen – und er selbst nur auf der Landesliste kandidierte. Im Landeshaus sieht man darin allerdings kein Problem. De Jager ist CDU-Landeschef; ein Parteifreund könnte ihm ein Mandat abtreten. Und laut Landesverfassung könnte er sich auch ohne Abgeordnetenmandat zum Ministerpräsidenten wählen lassen.

Bei den Christdemokraten steht deshalb fest: sie wollen sondieren, ob sie als stärkste Kraft im Land einen Koalitionspartner finden. Rein rechnerisch wäre für de Jager auch eine Jamaikakoalition (CDU, Grüne, FDP) oder eine Große Koalition mit der SPD möglich. Aber nach der vehementen Absage, die der Grüne Robert Habeck den Christdemokraten am Wahlabend ins Gesicht feuerte, ist Jamaika offenbar tabu. Er sprach von „Dreckskampagne gegen uns“. Und bei den Sozialdemokraten wird auch eine Große Koalition kategorisch ausgeschlossen, denn dabei haben auch SPD-Linke wie Ralf Stegner, der SPD-Fraktionschef, ein Wörtchen mitzureden. Dem CDU-Mann de Jager bleibt also nichts anderes übrig, als abzuwarten, ob und wie sich das linke Lager formiert. Die Dänen-Ampel werde eine „Wackelkoalition“ prophezeite CDU-Innenminister Klaus Schlie.

Einzelne Piraten könnten Albig unterstützen

Zumindest rechnerisch wäre auch eine Ampel von Rot, Grün und Gelb möglich – eine Art sozialliberaler Aufguss. Aber solange die Reizfigur Wolfgang Kubicki die FDP dominiert, werde es dazu nicht kommen, heißt es bei SPD und Grünen. Die Verletzungen, die Kubicki Rot-Grün zugefügt habe, seien zu tief. Sowohl Robert Habeck als auch Anke Spoorendonk vom SSW habe ihren Wunsch nach der dänischen Ampel geäußert und ernsthafte Koalitionsgespräche mit Albig angekündigt. Auf eine Tolerierung durch die Piraten will sich das geplante Bündnis nicht verlassen. Noch bei der von Rockmusik überdröhnten Wahlparty der Piraten im Kulturhaus Pumpe brüllte deren Spitzenmann Torge Schmidt (23) den Reportern ins Ohr, dass man keinen Grund habe „für den Albig zu stimmen, wenn der uns inhaltlich nicht entgegenkommt“. Zu verschenken haben die Piraten nichts. Auf einer Pressekonferenz ist der Kurs am Montag bestätigt worden,wobei der Pirat Patrick Breyer betonte, es gebe keinen Fraktionszwang, wer wolle, der könne also auch Albig wählen.

Bis zum 5. Juni muss sich der Landtag konstituieren, am 12. Juni könnte ein Nachfolger für Ministerpräsident Peter Harry Carstensen gewählt werden. Es bleibt Zeit zum Sondieren. Doch sollte eine Mehrheit nicht zustande kommen, müsste Carstensen die Amtsgeschäfte weiterführen. In Kiel blickt man sorgenvoll zurück nach Hessen: Da blieb Roland Koch 2008 noch ein Jahr lang geschäftsführender Ministerpräsident, weil weder CDU noch SPD eine Regierung bilden konnten.