Der ANC in Südafrika steckt tief in der Krise. Dennoch ist der Sieg der Partei bei der anstehenden Wahl sicher. Die Menschen haben schlicht keine Alternativen.

Johannesburg - Für den Afrikanischen Nationalkongress (ANC) hätte der Urnengang zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können. Präsident Jacob Zuma steckt bis zum Hals in einem Skandal um den Missbrauch öffentlicher Mittel in seinem Privatanwesen, im „Platingürtel“ streiken die Kumpels schon seit vier Monaten, und immer wieder werden die Prognosen für Südafrikas Wirtschaftswachstum nach unten korrigiert. Selbst die beschönigte offizielle Arbeitslosenquote liegt inzwischen bei über 25 Prozent.

 

Der ANC hat eine satte Mehrheit

In jedem anderen Land der Welt würde dies den Machtverlust einer Partei nach sich ziehen, die das Land bereits seit zwanzig Jahren regiert – doch am Kap der Guten Hoffnung kann der ANC erneut mit einer satten Mehrheit von mehr als 60 Prozent rechnen. Warum das so ist, hat vor allem zwei Gründe. Für die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung Südafrikas ist der ANC keine gewöhnliche Partei – es ist die Bewegung Nelson Mandelas, der man die Freiheit von über drei Jahrhunderten der Knechtschaft verdankt. Die Partei kann sich selbst eine Führungsniete wie Jacob Zuma leisten, bevor man ihr vielleicht in zehn weiteren Jahren einmal die kalte Schulter zeigt.

Vor allem aber mangelt es den über 25 Millionen Wählern in Südafrika an Alternativen. Zwar stellen sich nicht weniger als 45 Parteien zur Wahl, aber die meisten von ihnen sind bedeutungslose One-Man-Shows, selbst eine Partei ehemaliger Gangster befindet sich darunter. Wirklich ernst zu nehmen ist lediglich eine Oppositionspartei, die Demokratische Allianz (DA), sowie die „Economic Freedom Fighter“ (EFF) des ehemaligen Enfant terrible des ANC, Julius Malema. Eine Mehrheit der südafrikanischen Wähler wird ihre Stimme wohl niemals der DA geben können. Deren Parteichefin, die mit dem Berliner Milieu-Maler Heinrich Zille verwandte Hellen Zille, hat eine helle Haut, und in ihren Rängen befinden sich noch zahlreiche weiße Afrikaner, die einst das Apartheidregime unterstützten.

Keine Konkurrenz für die Machthaber

Zwar hat die Allianz politisch einen weiten Weg zurückgelegt und zieht inzwischen auch zahlreiche mittelständische Schwarze, Mischlinge und Inder an. Sie kann deshalb mit über zwanzig Prozent der Stimmen rechnen (der Anteil der weißen Südafrikaner beläuft sich auf unter neun Prozent). Doch schwarze Arbeiter und Landbewohner identifizieren die DA noch immer mit den alten Herrschern. Immerhin kann die DA damit rechnen, ihre Mehrheit in der Westkap-Provinz um Kapstadt herum zu behalten, und könnte den ANC sogar im Wirtschaftszentrum des Landes um Johannesburg herum unter die absolute Mehrheitsmarge drücken.

Malema ist die Überraschung dieser Wahl. Er tritt mit seiner Partei zum ersten Mal an, nachdem er vor zwei Jahren aus dem ANC ausgeschlossen wurde, und kann mit fünf Prozent der Stimmen rechnen. Der 33-jährige Nachwuchspolitiker ist das Schreckgespenst der weißen Südafrikaner: Er hat die Verstaatlichung der Minen sowie die Farmenteignung nach simbabwischem Vorbild auf seine Fahne geschrieben und gibt sich als Champion der Armen. Und das mit einer Rolex am Handgelenk und italienischem Schuhwerk an den Füßen – ein Populist der reinsten Sorte, der vor allem in den städtischen Slums auffallend große Popularität genießt.

Wachsende Kluft zwischen Arm und Reich

Eine authentische linke Partei, die aus der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich und den Nöten der 15 Millionen bitterarmen Südafrikanern Nutzen ziehen könnte, blieb dem ANC bei diesen Wahlen noch erspart. Sie wird sich jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach in den kommenden Jahren auch aus den Kreisen der vom ANC zunehmend enttäuschten Arbeiterschaft formieren. Die eigentliche Herausforderung für die Regierungspartei beginnt deshalb erst nach den Wahlen. Der ANC wird zeigen müssen, dass er sich außer um das Wohl und die Privatanwesen seiner Führungselite auch um die Belange der breiten Bevölkerung kümmern kann.