Wer nach der Landtagswahl nach Superlativen und Minusrekorden in Stuttgarts Stadtbezirken sucht, wird vor allem in Mühlhausen und im Westen fündig. In Mühlhausen sind die SPD und die AfD am stärksten.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Es ist auch auf der Ebene der Stadtbezirke ein Sieg auf der ganzen Linie gewesen für die Grünen: Während 2011 die CDU noch in 13 von 23 Bezirken stärkste Partei bei der Landtagswahl war, dominieren die Grünen nun in allen Bezirken. Im nördlichen Stadtgebiet, von Weilimdorf bis Mühlhausen, und im Südosten der Gemarkung, von Sillenbuch bis Obertürkheim, hatte es vor fünf Jahren noch zwei klare schwarze Bänder gegeben. Jetzt ist dort alles grün. Am knappsten waren 2016 die Entscheidungen noch in Münster gewesen, wo die CDU nur 1,2 Prozentpunkte zurücklag, sowie in Mühlhausen, wo der Unterschied 1,4 Prozentpunkte betrug.

 

Überhaupt Mühlhausen – das ist ein Bezirk, der bei dieser Landtagswahl gleich drei Mal durch Ausreißer nach oben oder unten auffällt. Dort fuhren die Grünen mit 26 Prozent stadtweit ihr schlechtestes Ergebnis ein; umgekehrt ist Mühlhausen der Stadtbezirk, in dem zugleich die SPD (14,3 Prozent) und die AfD (18,9 Prozent) ihre besten Ergebnisse erzielten.

Kontroverse Debatte um Unterkünfte für Flüchtlinge

Bezirksvorsteher Ralf Bohlmann kann so kurz nach der Wahl keine Antwort liefern, warum dies so ist – aber er verweist bezüglich der AfD auf Debatten um die Flüchtlingsunterkünfte, die im Bezirk sehr kontrovers geführt worden seien. In Neugereut stehe eine Unterkunft vor dem Bezug, in Hofen werde über eine Erweiterung diskutiert, in Freiberg suche man einen Standort: „Da sind sicherlich Bürger zur AfD gegangen“, vermutet Bohlmann. Dass Bernd Klingler, der AfD-Kandidat für den Wahlkreis III, in Mühlhausen besonders gut angekommen sei, glaubt Bohlmann nicht. Klingler stamme ja aus Weilimdorf, also quasi vom anderen Ende des Wahlkreises, und sei in Mühlhausen auch nicht so präsent gewesen.

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Noch ein zweiter Stadtbezirk Stuttgarts steht mit drei Superlativen im Fokus der Bezirksanalyse dieser Wahl: das ist der Stuttgarter Westen. Dort – und im Süden – hat die CDU mit je 17,9 Prozent ihr niedrigstes Ergebnis hinnehmen müssen, zugleich haben die Einwohner im Westen den Grünen mit 44,4 Prozent ihr bestes Ergebnis beschert. Und die AfD hat im Westen nur wenige Anhänger und mit 6,6 Prozent ihren stadtweit niedrigsten Stimmenanteil erhalten. Bezirksvorsteher Reinhard Möhrle, der selbst von den Grünen kommt, ist darüber natürlich doppelt froh: dass seine Partei so stark und die AfD so schwach ist. „Die soziale Zusammensetzung und die Art des Zusammenlebens funktionieren im Westen einfach“, sagt Möhrle: „Wir gehen hier mit Respekt miteinander um, da haben populistische Parteien kaum eine Chance.“

Wahlbeteiligung lag in Degerloch am höchsten

Die Hochburg der FDP lag mit 13 Prozent in Degerloch, was sicher auf die starke bürgerliche und teils auch finanzstarke Einwohnerschaft dort zurückzuführen ist. Am wenigsten Anhänger hatten die Liberalen in Bad Cannstatt; dort muss man also statt von Hochburg eher von einer FDP-Diaspora sprechen. Die Linke konnte sich im bürgerlichen Milieu von Plieningen mit 2,5 Prozent wenig behaupten; am stärksten war sie in Stuttgart-Mitte mit acht Prozent.

Aber nochmals zurück zu Degerloch. Dort scheinen es viele Bürger noch als Pflicht anzusehen, zur Wahl zu gehen – mit exakt 80 Prozent lag in Degerloch die Wahlbeteiligung am höchsten in Stuttgart. Das war schon vor fünf Jahren so. Mit 63,3 Prozent war sie jetzt in Zuffenhausen am niedrigsten. Insgesamt war die Wahlbeteiligung 2016 und 2011 stadtweit mit je rund 73 Prozent erfreulich hoch – 2006 hatten dagegen nur 57 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt, und in Stuttgart-Mitte hatte die Teilnahme mit 43,6 Prozent erschreckend niedrig gelegen.

Ein langfristiger Vergleich zeigt im Übrigen, dass die Hochburgen rechtspopulistischer Parteien in Stuttgart nahezu unverändert geblieben sind. So haben die „Republikaner“ bei der Landtagswahl 1996 stadtweit 11,9 Prozent erhalten – in Stadtteilen wie Freiberg und Mönchfeld, die zum Bezirk Mühlhausen gehören, waren es aber mehr als 20 Prozent. Auch in Stammheim, in Weilimdorf (vor allem Giebel und Hausen) und in Zuffenhausen schnitten damals die „Republikaner“ überdurchschnittlich ab – dort hat jetzt auch die AfD zwischen 16 und 17 Prozent der Stimmen geholt (stadtweit waren es 11,1 Prozent). Stark ist die AfD noch im allerdings mit 4000 Einwohnern sehr kleinen Stadtbezirk Münster: Dort haben 17,8 Prozent der Wähler ihre Stimme der AfD gegeben. Diese Tendenz zu den „Republikanern“ war 1996 nicht so ausgeprägt gewesen.