Der neue OB hat seinen Konkurrenten Sebastian Turner auf fast allen Feldern geschlagen. Das ist eine der Erkenntnisse aus der Wahlanalyse des Hohenheimer Professors Frank Brettschneider.

Stuttgart - Um 16,4 Prozent an Stimmen hat Fritz Kuhn am Sonntag gegenüber dem ersten Wahlgang zugelegt, sein schärfster Konkurrent Sebastian Turner lediglich 10,8. Aus welchen Lagern aber hat das neue grüne Stadtoberhaupt die zusätzlichen Stimmen erhalten? Und warum hat es der von CDU, FDP und Freien Wählern unterstützte Kandidat nicht geschafft, das Rennen zu machen? Antworten auf diese Fragen liefert eine Schnellanalyse des Hohenheimer Kommunikationsprofessors Frank Brettschneider. Dessen Fazit: Knapp 57 Prozent jener Bürger, die noch im ersten Wahlgang für die zurückgetretene SPD-Bewerberin Bettina Wilhelm votiert haben, kreuzten diesmal bei Kuhn an; Turner hingegen gewann nur 27 Prozent der Wilhelm-Stimmen. Noch deutlicher fiel die Wählerwanderung im Fall des Stuttgart-21-Gegners und SÖS-Stadtrats Hannes Rockenbauch aus, der sich für die zweite Runde ebenfalls abgemeldet hatte. Knapp 88 Prozent der Rockenbauch-Wähler, die auch an der Neuwahl teilgenommen haben, haben Kuhn die Stimme gegeben.

 

Wähler online befragt

Brettschneiders Erkenntnisse basieren auf einer unabhängigen, selbst initiierten und selbst finanzierten Online-Umfrage unter 467 wahlberechtigten Stuttgartern. Diese haben ihre Angaben in der Zeit vom 17. bis 21. Oktober gemacht, also bis in den Wahlsonntag hinein. Abgedeckt wurden dabei alle Bevölkerungsgruppen, wobei Menschen mit hoher formaler Schulbildung sich überdurchschnittlich stark beteiligt haben. Ein Fazit daraus: „Die Grünen sind in Baden-Württemberg schon lange kein Bürgerschreck mehr“, wie der Kommunikationswissenschaftler befindet: „Sie gewinnen nicht nur Stimmen aus dem bürgerlichen Lager, sie sind selbst Bestandteil des bürgerlichen Lagers geworden.“

Turner konnte nicht die gesamte CDU-Klientel mobilisieren

In der Expertise finden sich auch konkrete Gründe für die Niederlage des CDU-Bewerbers. Sebastian Turner sei es nicht in ausreichendem Umfang gelungen, das Reservoir an Nichtwählern zu mobilisieren. Dafür hätten ihm die Themen gefehlt. Und seine Wirtschaftskompetenz alleine habe dafür nicht ausgereicht – zumal im wohlhabenden Stuttgart kein wirtschaftlicher Leidensdruck erkennbar sei. Nachteil auch: Viele Stuttgarter haben die Union in der OB-Frage als zerstritten angesehen. Tatsächlich sei es dem parteilosen Turner nicht einmal gelungen, alle klassischen CDU-Anhänger zu gewinnen. Der zugespitzte Wahlkampf im Schlussspurt habe dies zwar ändern sollen, sei aber als Bruch mit dem weichen Wahlkampfstil von vor der ersten Runde empfunden worden.

Erschwerend hinzu kam, dass Kuhn im direkten Vergleich mit seinem Kontrahenten „fast durchweg besser abschneidet“, heißt es in der Studie. Der Bundestagsabgeordnete gelte als glaubwürdiger, bürgernäher und in nahezu allen Politikfeldern als kompetenter. Nur in Wirtschaftsangelegenheiten, bei der Verbrechensbekämpfung und in puncto Unabhängigkeit habe der Unternehmer Turner punkten können. Fazit Brettschneiders: alles in allem „zu wenig für den Wahlerfolg“.