Die für Mittwoch anberaumten Kommunalwahlen in Südafrika versprechen zu einem Schicksalsentscheid zu werden – zur wichtigsten Abstimmung, die das Kap der Guten Hoffnung seit seiner Befreiung vor 22 Jahren erlebt hat.

Pretoria - Manche Kandidaten ereilte das Schicksal schon lange vor der Abstimmung: Wie die 47-jährige ANC-Politikerin Zodwa Sibiya, die Mitte April mit drei Schüssen vor den Augen ihrer Kinder in Durban hingerichtet wurde. Den 50-jährigen ANC-Kandidaten Thami Nyembe trafen die Kugeln Mitte Mai im Kuhnest Emasundwini. Und seinen 41-jährigen Kollegen Bongani Skhosana ereilte dasselbe Schicksal vor drei Wochen in Umuziwabantu. Allein in der KwaZulu-Natal-Provinz sind dem Wahlkampf bereits zwölf Lokalpolitiker zum Opfer gefallen: In den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass sie von Mitgliedern ihrer eigenen Partei umgebracht wurden.

 

Geht es bei dieser Abstimmung auch nicht um die zentrale Macht im Staat, so ist sie für die fast 62.000 ins Rennen gegangene Kandidaten doch lebensentscheidend: Es geht um bezahlte Jobs, um Pfründe und die Chance, der Armut zu entkommen. Nicht nur in der Provinz wird mit härtesten Bandagen gekämpft. In der Hauptstadt Pretoria kam es Mitte vergangenen Monats zu regelrechten Straßenschlachten, nachdem der ANC den Namen seiner Kandidatin für das Bürgermeisteramt bekannt gegeben hatte. Örtliche Parteimitglieder waren mit der Entscheidung der Zentrale in Johannesburg nicht einverstanden: Sie zündeten Fahrzeuge an und blockierten das Regierungsviertel – bei dem anschließenden Polizeieinsatz kamen mehrere Menschen ums Leben.

Zumas Akzeptanz schwindet

Der interne Konflikt könnte dem ANC ausgerechnet in der Hauptstadt die Mehrheit kosten: Einer Ipsos-Umfrage zufolge stehen dort nur noch 23 Prozent hinter der Regierungspartei, während die oppositionelle Demokratische Allianz (DA) auf 40 Prozent kommt. Die DA, die schon seit mehr als einem Jahrzehnt Kapstadt regiert, könnte bald außer Pretoria auch Johannesburg und die Hafenstadt Port Elizabeth erobern: Erschreckende Aussichten für den ANC, der eine Milliarde Rand (umgerechnet fast 70 Millionen Euro) in den Wahlkampf investierte und nach Aussagen seines Parteichefs Jacob Zuma regieren will, „bis Jesus Christus wieder kommt“.

Außer dem Versagen zahlreicher Kommunen bei der Grundversorgung mit Strom und Wasser, was bereits seit Jahren zu einer weltweit beispiellosen Welle von Protesten führt, ist die Unzufriedenheit der Bevölkerung auch auf die Führungsetage der Regierungspartei zurückzuführen. Nach unzähligen Skandalen ist Präsident Zumas Akzeptanz beim Wahlvolk auf unter 33 Prozent gesackt, selbst jeder zweite ANC-Anhänger traut dem Parteichef nicht mehr. Wird die Kommunalwahl mit dem Verlust einer oder gar mehrerer Metropolen zum Fanal der einstigen Befreiungsbewegung, werden die Tage des Präsidenten vermutlich gezählt sein: Schon kursieren Pläne, wie der Staatspräsident vorzeitig in den Ruhestand geschickt werden könnte. Schließlich befindet sich Südafrika auch wirtschaftlich in der schlimmsten Lage seit der großen Wende vor 20 Jahren: Kürzlich musste der Zentralbankchef die Wachstumsprognose für dieses Jahr auf Null Prozent nach unten korrigieren, dafür steht die Arbeitslosenrate mit 26,7 Prozent auf einem historischen Zenit.

Obwohl der ANC in den Metropolen zweifellos starke Einbußen einstecken wird, kann er landesweit noch immer mit einer satten Mehrheit von mehr als 50 Prozent rechnen. Das liegt einerseits an dem noch immer nicht aufgebrauchten Bonus der Befreiungsbewegung und ihrem einstigen Präsidenten, der Ikone Nelson Mandela. Andererseits etablierte Zuma vor allem in ländlichen Räumen ein Patronage-System, das weite Teile der Partei bei der Stange hält. Und schließlich sind die einzig ernsthaften Alternativen unter den insgesamt 200 zur Wahl stehenden Parteien an zwei Fingern abzuzählen. Hier die Demokratische Allianz, die trotz ihres dunkelhäutigen Parteichefs Mmusi Maimane noch immer als Interessensvertretung der weißen Minderheit gilt. Und dort die jungen, zornigen „Economic Freedom Fighter“ (EFF), deren populistischer „Commander in Chief“, Julius Malema, den Vergleich mit Donald Trump und Boris Johnson nicht scheuen muss.

Junge Wähler enthalten sich

Angesichts mangelnder Alternativen werden vor allem junge Südafrikaner Prognosen zufolge den Urnen fernbleiben: Und das in einem Land, in dem einst Tausende ihr Leben für den Grundsatz „one man, one vote“ gelassen haben.