Jahrelang hat Tomislav Karamarko im Hintergrund die Fäden gezogen, unter anderem auch als Geheimdienstchef. Nun hat der Oppositionskandidat die besten Chancen bei den Parlamentswahlen am Sonntag die Macht zu erlangen

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Zagreb - Die Hände gehen ans Herz, die patriotischen Weisen schlagen aufs Gemüt. Arm in Arm wiegen sich die rund 3000 Besucher der Sporthalle von Osijek zu den vertrauten Lieder der 90er Jahre. Nur einer lächelt nicht: Regungslos und mit unbewegter Miene lässt Tomislav Karamarko, das Bugbild von Kroatiens „Patriotischer Koalition“, die Lobpreisungen seiner Vorredner über sich ergehen.

 

  „Für ein starkes Kroatien“ prangt die Losung des von der konservativen HDZ geführten Oppositionsbündnisses auf blauen Windjacken und Schals. „Wir können dieses Spiel nicht verlieren, wir stehen vor dem Sieg!“, übt sich der HDZ-Kandidat in der Rolle des Einpeitschers: „Wir werden Kroatien ein für allemal von den Kommunisten befreien!“ Vor der Parlamentswahl am Sonntag stehen sich der von dem sozialdemokratischen Premier Zoran Milanovic geführte Mitte-Links-Block und das rechtsnationale Wahlbündnis von HDZ-Chef Karamarko unversöhnlich gegenüber.

Der Vorsprung ist nur knapp

Weniger unterschiedliche Regierungskonzepte oder die Flüchtlingskrise als Überzeugungen entzweien die Nation. Die Umfragen sagen einen Vorsprung von zwei bis drei Prozent für Karamarkos Oppositionsbündnis voraus. Die erhoffte Mehrheit dürften beide Lager zunächst verfehlen. Mit der Entscheidung über den Kurs des EU-Neulings ist erst im Koalitionspoker nach dem Urnengang zu rechnen: Die Abgeordneten der Regionalparteien, der Minderheiten und der Diaspora werden das Zünglein an der Waage sein.

  Der Beifall steigert sich zum Orkan – und ebbt nach dem Beginn der Ausführungen des Spitzenkandidaten rasch wieder ab. Ein Volkstribun ist der frühere Geheimdienstchef keineswegs: Mit schleppender Stimme doziert der hoch gewachsene Karamarko über die Flüchtlingskrise, anvisierte Steuersenkungen sowie Investitionen in Kanäle und Schienen. Stimmung kommt nur auf, wenn der 56jährige Oppositionschef mit dem Verweis auf den Kroatienkrieg auf die nationale Rhetorik-Tube drückt: „Gemeinsam verteidigten wir das Vaterland. Und gemeinsam werden wir diese unfähige Regierung besiegen.“  

1000 Euro Prämie für ein Kind

Familie, Kirche, Vaterland: Je höher die vom Hallensprecher verkündete Anzahl ihrer Kinder, desto lauter prasselt der Applaus für die fast ausschließlich männlichen Kandidaten. Unter den 14 im Wahldistrikt IV. nominierten Parlamentsanwärtern findet sich nur eine Frau. „Wir haben unser Land nicht geschaffen, damit wir verschwinden“, begründet Karamarko den Plan einer Geburtsprämie von satten 1000 Euro: „Wir wollen nicht weniger, sondern mehr werden.“  

Obwohl 1989 einer der Mitbegründer der HDZ zog der scheu wirkende Historiker aus Zadar in dem seit 1991 unabhängigen Kroatien meist im Schatten der Macht für andere die Fäden. Ob als Kabinettschefs des Regierungs- oder Staatschefs, ob als Direktor des Abwehrdienstes und des Geheimdienstes oder als Innenminister: Der gläubige Katholik machte sich als Strippenzieher im Hintergrund und Mann des Sicherheitsdienstapparats einen Namen.   Nach dem Wahldebakel 2011 schien die tief in den Korruptionssumpf geschlitterte und zeitweise von Gericht gar als „kriminelle Vereinigung“ klassifizierte HDZ noch um ihre Existenz bangen zu müssen. 2012 übernahm Karamarko den Parteivorsitz und verpasste der Partei eine stramm national-klerikale Ausrichtung.

Zielstrebig drängt der einstige Schattenmann seitdem an die Schalthebel der Macht.   Doch weniger der spröden Ausstrahlung des ihres Parteichefs als der kargen Erfolgsbilanz von Premier Milanovic hat die HDZ ihren Höhenflug bei den jüngsten Urnengängen zu verdanken. Ob der am Sonntag anhält, muss sich weisen: Die erwartete niedrige Wahlbeteiligung könnte der Opposition angesichts ihrer disziplinierten Stammwähler in die Karten spielen.