Am Sonntag wählt Österreich ein neues Parlament – und die ÖVP unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz geht als haushoher Favorit ins Rennen. Der populäre 33-Jährige schließt dabei nicht aus, noch einmal mit der FPÖ zu koalieren – trotz des Ibiza-Skandals.

Wien - Er sei inhaltlich sehr stolz auf die Zusammenarbeit zwischen der ÖVP und der FPÖ, meinte Altkanzler Sebastian Kurz kürzlich zum FPÖ-Chef Norbert Hofer. „Es ist richtig, dass wir sehr gut zusammen gearbeitet haben“, antwortete der Norbert dem Sebastian. Um so wichtiger sei es, den Optimismus und die Aufbruchstimmung angesichts der Rezession, die über Deutschland komme, weiter zu führen. Kurz antwortete, er werde schauen, welcher Flügel sich in der FPÖ durchsetze, und dann entscheiden. Er wünsche sich jedenfalls eine ordentliche Mitte-Rechts-Politik.

 

Hört man den beiden Partei-Chefs zu, dann scheint eine Neuauflage der alten Regierung aus Konservativen und Rechtspopulisten bereits ausgemacht. Die Mehrheit dürften sie bei der Parlamentswahl am 29. September jedenfalls bekommen. In Umfragen liegt die ÖVP bei etwa 34 Prozent, die Freiheitlichen stehen aktuell bei 20 Prozent.

Aber nicht nur rechnerisch, auch inhaltlich ist eine Koalition zwischen den Türkisen und den Blauen naheliegend. Der Politologe Peter Filzmaier etwa sagt, dass bei 26 Themenfragen ÖVP und FPÖ zu über 80 Prozent übereinstimmen würden. Sie wollen beide Steuersenkungen, keine CO2-Steuer und keine Erbschaftssteuer: „So ist die Verlockung groß, dass die ÖVP fast alle ihre – vor allem wirtschaftspolitischen – Ziele mit der FPÖ umsetzen kann.“

Wirklich beeinträchtigt hat der Ibiza-Skandal die Partei nicht

Gegen eine Neuauflage der alten Regierungszusammenarbeit sprechen für Kurz nur die Skandale der FPÖ: Postenschacher, Korruptionsneigung, rechtsextreme Ausfälle. Nun hat allerdings Hofer die FPÖ-Führung übernommen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Christian Strache, der über die Ibiza-Video-Affäre stolperte, ist Hofer nicht so anerkennungsbedürftig und deshalb weniger fehleranfällig. Er geht auf die Wünsche der ÖVP ein und sichert gleichzeitig in der eigenen Partei seine Macht.

Das heimlich in Ibiza aufgenommene Video über Ex-FPÖ-Chef Strache und Fraktionschef Johann Gudenus zeigte, wie die FPÖ-Politiker einer vermeintlichen russischen Investorin Regierungsaufträge im Gegenzug für Wahlkampfhilfen in Aussicht stellen. Nach Straches Rücktritt zerbrach die gesamte Regierung. Wer hinter dem Video steckt, ist nach wie vor unklar. Wirklich beeinträchtigt hat der Ibiza-Skandal die Partei nicht. Der FPÖ selbst haben auch die „Einzelfälle“ – so wird die Vielzahl rechtsextremer Ausfälle im ironischen Sinn in Österreich genannt – nicht geschadet. Sie werden auch jetzt wieder die Blauen wählen, weil diese Partei ihr Lebensgefühl trifft und kanalisiert: Eine Mischung aus diffuser Wut, Aggressivität und Ausländer- und Muslimfeindlichkeit.

Kurz vor der Wahl schürt Hofer wieder Ängste vor Ausländern. „In Anbetracht der Massenmigration aus der Türkei nach Europa droht auch in Österreich in absehbarer Zeit ein neuer Grenzsturm“, sagt Hofer. Die Realität deckt diese Einschätzung nicht: 2018 wurden in Österreich 13.700 Asylanträge gestellt. Gegenüber dem Vorjahr bedeutete das einen Rückgang um mehr als 44 Prozent. Über die slowenisch-österreichische Grenze kommt praktisch seit drei Jahren keiner mehr.

Eine andere Option ist die sogenannte „Dirndl-Koalition“

Aber auch Kurz macht Identitätspolitik und gibt damit Österreichern mit bestimmten kulturellen Merkmalen den Vorzug vor anderen. So fordert er ein „klares Bekenntnis zu unserer Kultur und Tradition“. Dazu gehöre das Symbol des Kreuzes in den Klassenzimmern und ein Fortführen der christlichen Traditionen. Gleichzeitig will Kurz ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen und argumentiert damit, dass es religiös neutrale Orte geben sollte. Das diese Argumente einander widersprechen stört weder Kurz noch seine Anhänger.

Wenn es sich rechnerisch ausgehen würde, wären für Kurz abgesehen von der FPÖ nur die liberalen Neos noch attraktiver. Die Partei hat keinerlei Skandale produziert, sondern steht für Transparenz und Modernität. Doch den Umfragen zufolge werden die Neos nur auf acht bis neun Prozent der Stimmen kommen. Für eine Koalition mit der Kurz-ÖVP, die bei etwa 35 Prozent liegt, wird es also nicht reichen. Möglich wäre allenfalls eine sogenannte „Dirndl-Koalition“ zwischen den pinken Neos, der türkisen ÖVP und den Grünen. Die Grünen liegen in den Umfragen zur Zeit bei etwa elf Prozent. Aber auch zwischen der ÖVP und den Grünen gibt es sehr große inhaltliche Unterschiede.

Kurz vor den Wahl scheint eines aber ziemlich klar: Die Roten werden nicht Teil der nächsten Koalition sein. In der SPÖ gibt es kaum jemanden, der dem Team um Kurz über den Weg traut. In den Umfragen liegt die Partei nur knapp vor der Freiheitlichen Partei bei etwa 22 Prozent.