So viele Wahlberechtigte und so viele Briefwähler hat es in Stuttgart noch nie gegeben. Wegen des komplizierten Auszählvorgangs steht das endgültige Ergebnis erst am Dienstagabend fest.

Stuttgart - Der Wahlsonntag hat es in sich: Neben der Zusammensetzung des Europaparlaments bestimmen die Wähler in Baden-Württemberg zeitgleich auch über die Mehrheiten in der Regionalversammlung, in den Kreistagen und in den Gemeinderäten.

 

In der Landeshauptstadt kann der Chef des Statistischen Amtes, Thomas Schwarz jedenfalls schon mal einige Rekorde vermelden: Noch nie war die Zahl der Wahlberechtigten (rund 440 000) so hoch wie bei der Wahl des 19. Gemeinderats in der Nachkriegszeit. Die Höchstzahl aus dem Jahr 1962 mit damals rund 434 000 Stimmberechtigten wird übertroffen, was an der Zuwanderung und zudem daran liegt, dass immer mehr EU-Bürger ihr Votum auf kommunaler Ebene abgeben dürfen. Neu hinzu kommen diesmal kroatische Staatsbürger, außerdem dürfen erstmals auch 16-Jährige mitwählen.

Etwas mehr als 70 000 Briefwahlanträge

Schwarz vermeldet auch einen Rekord bei der Briefwahl: Etwas mehr als 70 000 Wahlberechtigte haben bis zum Freitag von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Stimmzettel zuhause auszufüllen und vorab ihr Votum abzugeben. Zum Vergleich: bei der Kommunalwahl 2009 waren es nur etwa 50 000 Briefwähler. Nur knapp am Rekord vorbeigeschrammt ist Stuttgart bei der Zahl der Parteien und Wählervereinigungen, die sich um die insgesamt 60 Sitze im Rat bewerben. Mit Grünen, CDU, SPD, Freien Wählern, FDP, SÖS, Linken, Republikanern, AfD, Piraten, Stadtisten und der Jungen Liste hat der Bürger die Qual der Wahl zwischen zwölf Listen mit insgesamt 668 Bewerbern. Das sind genauso viel Wahllisten wie bei der Gemeinderatswahl 2004, aber weniger als 1999: Damals bewarben sich 17 Gruppierungen um die Mandate im Stuttgarter Stadtparlament.

Neues Auszählverfahren

Bei der Wahl 2009 waren die Grünen mit 25,3 Prozent erstmals stärkste Fraktion im Rathaus geworden. Sie stellen seitdem 16 Stadträte. Die CDU musste mit einem Ergebnis von 24,3 Prozent und 15 Mandatsträgern mit dem zweiten Platz vorlieb nehmen, gefolgt von der SPD (17 Prozent) mit zehn Sitzen, der FDP (10,7 Prozent) mit sieben Sitzen und den Freien Wählern (10,3 Prozent) mit sechs Stadträten. Die SÖS erzielte damals 4,6 Prozent, die Linke 4,5 – beide Parteien bildeten nach der Wahl eine Fraktionsgemeinschaft mit fünf Stadträten. Für den Bundeschef der rechtsgerichteten Republikaner, Rolf Schlierer, reichten 2,5 Prozent für den Einzug in den Gemeinderat.

Kleine Parteien könnten vom Sog der Europawahl profitieren

Prognose am Sonntagabend

Bleibt es bei einer ökosozialen Mehrheit im Rat oder gewinnt das bürgerliche Lager wieder die Oberhand? Nicht nur darüber entscheidet die Wahl am Sonntag. Mit Spannung wird diesmal vor allem das Abschneiden der kleinen Parteien und Gruppierungen, insbesondere der Alternative für Deutschland, erwartet. Durch den Wechsel beim Stimmenauszählverfahren von d’Hondt auf Sainte-Lague werden diese nun nicht mehr benachteiligt.

Kleine Parteien könnten zudem vom Sog der Europawahl profitieren, bei der nach dem Fall der Drei-Prozent-Hürde ebenfalls mit einer größeren Splitterung der Parteienlandschaft gerechnet wird. Spannend dürfte auch die Frage werden, ob es die FDP in ihrer Hochburg Stuttgart schafft, dem negativen Umfragetrend zu trotzen und ihren Fraktionsstatus mit mindestens vier Stadträten zu erhalten.

Das vorläufige amtliche Endergebnis steht erst am Dienstag fest

Wie das Ergebnis ausgefallen ist, werden die Bürger zwar erst am Dienstag genau wissen, bereits am Sonntag Abend gibt es aber eine Prognose. Nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr werden im Großen Sitzungssaal des Rathauses die vorläufigen Ergebnisse der Europa- und Regionalwahl präsentiert. Erst am Montag beginnt die Auszählung der Stimmzettel für die Kommunalwahl. Am Mittag wird zunächst das Stimmzettel-Resultat bekannt gegeben: Dabei werden lediglich die unverändert abgegebenen oder im Ganzen gekennzeichneten Stimmzettel berücksichtigt. Das vorläufige amtliche Endergebnis steht erst am Dienstagnachmittag fest, wenn die 1500 im Einsatz befindlichen städtischen Mitarbeiter auch die durch Kumulieren und Panaschieren veränderten Stimmzettel ausgezählt haben.

Die Bürger können am Sonntag 349 Wahllokalen ihre Stimme abgeben. Dass möglichst viele von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, darauf hofft der Kreiswahlleiter und Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. „Die Entscheidungen der Räte prägen Stuttgart für die Zukunft – und Sie wissen selbst, dass es viel zu entscheiden gibt in den kommenden Jahren“, heißt es im offiziellen Wahlaufruf Schairers. 2004 und 2009 ließen sich die Wähler davon allerdings nicht sonderlich beeindrucken: Beide Male lag die Wahlbeteiligung lediglich bei 48,7 Prozent.