Franziska Giffey könnte neue Regierende Bürgermeisterin werden – mit einem für SPD-Verhältnisse eher konservativen Programm.

Sport: David Scheu (dsc)

Berlin - Bleibt der Chefsessel im Roten Rathaus in den Händen der Sozialdemokraten? Jüngsten Umfragen zufolge hat die Partei um Spitzenkandidatin Franziska Giffey bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am Sonntag die besten Karten. In einer Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen vom Donnerstag war die SPD mit 22 Prozent stärkste Kraft – dicht gefolgt von den Grünen (19) und der CDU (17). Damit könnte Giffey als Regierende Bürgermeisterin übernehmen und ihren Parteifreund Michael Müller ablösen, der nicht mehr antritt und in den Bundestag strebt.

 

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Seit der Bekanntgabe ihrer Kandidatur im vergangenen Jahr hat die einstige Neuköllner Bezirksbürgermeisterin die kriselnde Berliner SPD mit einem Kurs der Mitte aus dem Umfragekeller geholt – und dabei auch Konflikte mit den Partnern im derzeitigen rot-rot-grünen Bündnis nicht gescheut. Giffey lehnt die Enteignung großer Immobilienkonzerne im Gegensatz zu den Linken und Grünen ab, sie setzt stattdessen auf eine Neubau-Offensive. Auch in der Verkehrspolitik gehen die Vorstellungen auseinander. Während die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch seit Monaten für die Abkehr von der autogerechten Stadt wirbt und dafür die Formel „mehr Bullerbü in Berlin“ geprägt hat, möchte Giffey die Pkw nicht kategorisch aus der Innenstadt verbannen: „Eine 3,7-Millionen-Stadt völlig autofrei zu denken, halte ich für wirklichkeitsfremd.“

Kommt es zu einer Fortsetzung des rot-rot-grünen Bündnisses?

Bei den Christdemokraten ging zuletzt die Angst um, Giffey könne auf Stimmenfang in konservativen Wählermilieus gehen. Als „CDU pur“ hatte der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten, Burkard Dregger, ihr Programm sogar bezeichnet. Gegen die Popularität der früheren Bundesfamilienministerin gab es jedoch trotz ihrer Plagiatsaffäre kaum ein Ankommen: Den CDU-Kandidaten Kai Wegner kennt zum Beispiel gerade einmal die Hälfte aller Berliner.

In den Sondierungsgesprächen nach der Wahl dürften auch die Linken und die FDP mitmischen, die derzeit bei 13 respektive sieben Prozent rangieren. Einzig Gespräche mit der AfD (neun Prozent) haben alle anderen Parteien ausgeschlossen. Während sich Grüne und Linke für eine Fortsetzung der rot-rot-grünen Koalition ausgesprochen haben, ist Giffey der Frage ausgewichen. Den jüngsten Umfragen zufolge hätte auch eine Koalition zwischen SPD, CDU und FDP eine knappe Mehrheit. Ein Zweierbündnis ist nach derzeitigem Stand nicht möglich.