Wahlerfolg der AfD Die AfD setzt auf eine Doppelstrategie

Präsentieren sich nach der Wahl geeint und jubelnd: Die AfD-Chefs Tino Chrupalla und Alice Weidel. Foto: AFP/Tobias Schwarz

Die Rechtspartei kann ihr Ergebnis quasi verdoppeln und erzielt vor allem im Osten enorme Erfolge. Die AfD will dies nutzen – während sie auf Bundesebene die Union mit ihrem Kurs der „ausgestreckten Hand“ in die Bredouille bringt.

Die Wahlunterschiede zwischen west- und ostdeutschen Ländern sind enorm. „Deutschland ist politisch zweigeteilt“, sagt der CDU-Landeschef von Sachsen-Anhalt, Sven Schulze, und fährt fort: „Wenn wir das ändern wollen, brauchen wir in Berlin eine stärker auf ostdeutsche Themen ausgerichtete Politik.“ In den ostdeutschen Ländern (ohne Berlin) haben 36,2 Prozent der Menschen die AfD gewählt – auf nur 18,9 Prozent kommt die CDU. Umgekehrt ist das Kräfteverhältnis im Westen: Zwar erzielt auch dort die AfD 18,0 Prozent, aber die Union ist mit 30,9 Prozent die deutlich stärkere Kraft.

 

Noch größer sind die Ost-Erfolge der in Teilen rechtsextremen AfD auf Kreisebene: Auf bis zu 46,7 Prozent kommt sie im Wahlkreis Görlitz, im Wahlkreis Mansfeld in Sachsen-Anhalt kann sie ihr schon gutes Ergebnis um 20 Prozent steigern. In der Gemeinde Jämlitz-Klein Düben in Brandenburg fährt die AfD 69,2 Prozent der Zweitstimmen ein. Fast alle Direktmandate gewinnt die AfD im Osten, nur im Raum der Hauptstadt Berlin schimmern andere Farben. In Westdeutschland schafft es die AfD dagegen nur in Kaiserslautern und Gelsenkirchen, Direktmandate zu holen – und kommt in Pforzheim immerhin dicht an den Wahlsieger der CDU heran.

Ausgestreckte Hand im Bund – im Osten zulegen

Angesichts dieser ambivalenten Lage setzt die AfD auf zwei Strategien, wie sie am Tag nach der Wahl erkennen lässt. Bundesweit will sie ihre Politik der „ausgestreckten Hand“ in Richtung der Union fortsetzen. Man will die Christdemokraten „weiter jagen“ – wie Co-Parteichefin Alice Weidel es nennt – mit Anträgen, zu denen CDU und CSU mit einem vielleicht zaudernden Koalitionspartner SPD nicht Nein sagen können.

Die zweite Taktik setzt den politischen Hebel im Osten an. Dort sei zuerst eine Regierungsbeteiligung zu erwarten, meint AfD-Co-Chef Tino Chrupalla, fünf bis sechs Prozent könnte man noch zulegen. Die Ostdeutschen wollten keine Brandmauer mehr, legt Chrupalla dann nach: „Ich erwarte jetzt auch eine Reaktion der ostdeutschen Ministerpräsidenten. Sie können nicht auf Dauer eine Regierung gegen oder ohne das Volk machen.“

Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas von der FU Berlin hält das für ein Argument, „das man nicht einfach so wegschieben“ könne. Es gehe in der Demokratie um die „Einbindung“ aller. Die Politik müsse aufpassen, dass die AfD nicht die Betrachtungsweise auf den Kopf stelle: „Wir sind die Demokraten, die anderen die Undemokraten.“

Nicht alle in der Partei stehen voll hinter Alice Weidel

Trotz aller Erfolge: Faas sieht Klärungsbedarf in der AfD, die nicht so recht wisse, wo sie hinwolle. Deutlich wird dies in der Person Weidels. Mit Chrupalla will sie sich erneut als Doppelspitze für die nun auf 152 Mandate verdoppelte AfD-Fraktion im Bundestag bewerben. Doch auf der AfD-Wahlparty in Berlin-Wittenau äußern Funktionsträger nach dem ein oder anderen Bier leichte Zweifel an der strahlenden Wahlgewinnerin Weidel, die von einem „historischen Sieg“ gesprochen hatte. Dass sie Hitler einen „Kommunisten“ nannte, ihr überraschendes Plädoyer für eine Wehrpflicht, die Ansage vom Abriss aller Windräder – das kam nicht bei allen in der AfD gut an.

AfD-Co-Chefin Alice Weidel trat im Januar in einem Live-Gespräch mit Tech-Milliardär Elon Musk auf – das kommt nicht bei allen in der Partei gut an. Foto: imago/Bode

Auch Weidels außenpolitischer Kurs – das Anschmiegen an Donald Trump und Elon Musk – birgt Konfliktpotenzial. Hat die Anbiederung denn genützt? Zumindest der Vergleich des Wahlergebnisses mit Umfrageergebnissen der Partei Ende 2024 weckt Zweifel. Und dann ist da noch die Frage, ob Weidels privater Lebensstil mit dieser so männerdominierten Partei vereinbar ist.

Chrupalla gewinnt Direktmandat – Weidel nicht

Zumindest scheinen nicht alle in der AfD überzeugt, dass mit Weidel – die parteiintern wegen ihrer Halsketten den Spitznamen „Perlhuhn“ trägt – in den kommenden vier Jahren der Durchmarsch zur Kanzlerschaft gelingen kann. Chrupalla hatte noch vor drei Wochen auf einer Parteiveranstaltung in Neu-Isenburg prognostiziert, dass die AfD am 23. Februar vor der Union liegen werde – ein Flop. Alice Weidel habe einen „sensationellen Wahlkampf“ geführt, sagt Chrupalla dann trotzdem. Man werde mit diesem Ergebnis nun „mit Demut an die Arbeit gehen“. Klingt so Begeisterung? Chrupalla – im bürgerlichen Beruf Malermeister – hat seinen Wahlkreis im sächsischen Görlitz mit 48,9 Prozent der Erststimmen mit deutlichem Abstand gewonnen. Die promovierte Ökonomin Weidel erzielt im Bodenseekreis nur 20,36 Prozent – das Direktmandat geht an den CDU-Kandidaten. Unterschiede zwischen Ost und West zeigen sich bei der AfD auch beim Spitzenpersonal.

Weitere Themen