„Illner Intensiv“ im Check: Noch bis Freitagabend wird es täglich eine Sendung zu aktuellen politischen Fragen geben. Das Besondere dabei: Nur 30 Minuten sind für komplexe Themen wie die Eurokrise eingeplant. Kann das funktionieren? Ja.

Stuttgart - Eine halbe Stunde Zeit, um mal eben über die Eurokrise zu reden? Kann das funktionieren? Es kann, zeigt Maybrit Illner mit ihrem neuen Format „Illner intensiv“, das am Dienstagabend (23.45 Uhr) im ZDF Premiere hatte. Wenig verwunderlich, dass auch diese Sendung verspricht, den Wählern eine Entscheidungshilfe zu bieten. Verwunderlich eher noch, dass sie es im Rahmen ihrer Möglichkeiten tatsächlich tut. Und ein wohl nicht geplanter Seitenhieb gegen die ARD, die am Montagabend in ihrer Sendung „Überzeugt uns! Der Polit-Check“ eindrucksvoll bewies, wie ein Format, das Jugendliche ansprechen soll, nicht aussehen darf.

 

Wenn das stimmt, was in der ARD neben so vielen anderen Klischees über die Aufmerksamkeitsspanne von Jugendlichen verlautbart wurde, dann ist „Illner intensiv“ wie maßgeschneidert für diese Generation, deren Aufmerksamkeit angeblich nur bis zum nächsten Aufploppen eines Fensters oder dem nächsten Bewegtbild auf dem Bildschirm reicht. Noch dazu schafft Illner das Kunststück, zwei Erstwähler einzuladen, die ihre Fragen direkt an die Politiker stellen dürfen, und damit in einer Sendung, die sich nicht explizit an eine Bevölkerungsgruppe richtete, mehr auf die Interessen und Fragen von Jugendlichen einzugehen, als die ARD das in anderthalb Stunden vermochte.

Wie solidarisch muss Deutschland sein?

Mit der Einleitung in das Thema durch Gernot Hassknecht ist ihr außerdem ein Coup gelungen. Gewohnt bissig hat der geniale Kommentator der Heute-Show mit seinem Spucke speienden, cholerischen Einstieg den Finger in die Wunden des „bürokratischen Wasserkopfes“, der der EU gewachsen sei, gelegt.

Wohltuend war außerdem der schlichte Aufbau der Sendung. Ein zurückhaltendes Studio im schlichten Blau. Natürlich darf heutzutage der Bildschirm mit animierten Bildern nicht mehr fehlen, aber das war in Ordnung, die meiste Zeit war er nicht zu sehen. Auch die Zahl der Gäste blieb überschaubar, was der Diskussion insgesamt sehr gut tat, auch wenn dadurch nicht einmal jede Partei berücksichtigt werden konnte, die im Bundestag sitzt. Geladen waren die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD und Linke: Volker Kauder, Frank-Walter Steinmeier und Gregor Gysi, die über das Thema der ersten Sendung diskutierten: Euroland in der Krise. Wie solidarisch muss Deutschland sein?

Die aufgebrachte Erstwählerin

Auch wenn manche Diskussion leider schon im Keim erstickt werden musste: gerade darin lag wohl die Würze dieser dreißig Minuten am Dienstagabend. Lange Talkrunden mit umständlichen Worthülsen gibt es zur Genüge. Die Reduktion auf drei Gäste tat ihr Übriges. Dass davon zwei aus der Opposition kamen und den Regierungsvertreter Kauder, der in der Mitte stand, quasi einrahmten, schaffte außerdem eine eigene Dynamik, in der Kauder sich in der Position des Angegriffenen wiederfand.

Immer wenn es zu hektisch wurde, brachte Illner mit einem kurzen Einspieler wieder etwas Ruhe und Ordnung hinein. Die Einspielvideos an sich waren zwar so wenig notwendig wie eh und je, Illner hätte das Ganze auch einfach sagen können. Auf diese Möglichkeit ist aber wohl keiner gekommen, die Idee, kleine Filmchen in die Diskussion zu werfen, scheint in den öffentlich-rechtlichen Redaktionen nicht mehr aus Talkshows wegzudenken zu sein.

Kauders Sternstunde

Inhaltlich waren die Positionen freilich schnell abgesteckt. Kauder dementierte gebetsmühlenartig Schäubles Äußerungen zu einem dritten Griechenlandpaket und widersprach der Darstellung von Steinmeier und Gysi, ein weiterer Schuldenschnitt würde kommen: Kleine Zahlungsänderungen seien kein Schuldenschnitt. Diese ihrerseits warfen ihm erwartungsgemäß eine Lüge vor, Kauder wich aus: Niemand könne wissen, was in zwei, drei Jahren sei.

Spannender wurde es da schon, als eine sichtbar aufgewühlte Erstwählerin zu Wort kam. Mit Verve prangerte sie die Rettungspolitik an und fragte, was freilich, dem Thema der Sendung entsprechend, sehr plakativ klang: „Wie solidarisch muss Deutschland sein? Ist die Solidarität eine Einbahnstraße?“ Und da kam die Sternstunde Kauders, der die Dinge einmal ins gerade Licht rücken durfte: „Ein bisschen stolz dürfen Sie schon darauf sein, dass Sie in einem Land aufwachsen, in denen es den Jugendlichen besonders gut geht.“

Was Kauder freilich verschwieg: Deutschland hat keine Einsparungen von 30 Prozent hinter sich. Hier hätte Illner nachhaken müssen: 30 Prozent, das würden für den Bundeshaushalt 2012 Einsparungen von mehr als 90 Milliarden Euro bedeuten. Was dann in Deutschland los wäre, bedarf keiner weiteren Beschreibung. Leider reduzierte sie diesen Fakt auf eine kurze Runde am Ende, in der jeder der Gäste einen Satz vervollständigen musste: „Hätte die deutsche Regierung gespart wie die griechische, nämlich dreißig Prozent, dann . . ?“ Kauder ergänzt: „ . . . wären wir noch besser, als wir ohnehin schon sind.“

Komplexe Themen lassen sich nicht einfach herunterbrechen

Damit zeigt sich doch noch ein kleines Manko dieser Sendung. Dieses offenbarte sich auch bei Illners kurzen Fragerunden zwischendurch, auf die sie eine kurze Antwort mit einem „Ja“ oder einem „Nein“ forderte, um so eine Wahl-O-Mat-ähnliche Zuspitzung als Entscheidungshilfe für den Wähler zu geben. Denn komplexe politische Themen lassen sich eben nicht auf ein „Ja“ oder ein „Nein“ herunterbrechen. Das fiel ihr wohl selbst auf: immerhin ließ sie ausführlichere Antworten zu, wenngleich nicht, ohne hinterher darauf hinzuweisen, sie wolle nur ein Wort hören.

Dennoch hebt die Sendung sich insgesamt vom gewohnten Format der Talkshows ab – und ist eher als Ergänzung zu sehen. Wer sich tiefer mit der Materie auseinandersetzen möchte, kommt um eine weitere Beschäftigung mit den angesprochenen Themen nicht herum. Aber gerade das ist das Löbliche an Illners Format, das sie so ähnlich schon 2009 ausprobierte. Es kann nämlich junge Wähler ansprechen, es kann zur weiteren Auseinandersetzung mit den Themen anregen und es trägt die politischen Diskussionen verknappt an diejenigen heran, denen bisher schlicht die Zeit – oder die Lust – fehlte, sich die längeren Talk-Formate anzutun.

Wer ebendies erwartet für den lohnt sich das Einschalten auch in den folgenden Sendungen sicherlich. Bis Freitagabend wird es täglich eine Sendung geben. Die nächste Ausgabe am Mittwochabend wird der Frage nachgehen: Was ist der Preis der Zuwanderung? Zu Gast sind Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Hans-Peter Friedrich (CSU) und Thomas Oppermann (SPD).