Wahlkampf Die CDU muss standhalten
Nerven behalten: Auch wenn die AfD näher rückt, sollte die Union nicht auf ihre Parolen aufnehmen.
Nerven behalten: Auch wenn die AfD näher rückt, sollte die Union nicht auf ihre Parolen aufnehmen.
Das Wort Krise klingt bedrohlich und fühlt sich an wie Zahnweh. Seit fast zwei Jahrzehnten häufen sich Krisen: Banken, Flüchtlinge, Pandemie, Ukrainekrieg, Dominanz der Tech-Oligarchen, Verfall der US-Demokratie . . . Die Aussichten sind trübe. Andererseits: Einer Krise wohnt nicht schon das Scheitern inne, sie kann auch die Gesundung einleiten. Blicken wir mit diesem Gedanken im Hinterkopf auf die Zahlen zur politischen Stimmungslage im Südwesten, dann richtet sich die Aufmerksamkeit weniger auf die – vorerst abgeschlagenen – Grünen; vielmehr geht der Blick zur CDU, die zwar an der Spitze rangiert, jedoch jene zwei Prozentpunkte verliert, mit denen die AfD an den Grünen vorbeizieht, um jetzt Platz zwei zu besetzen.
Beide Parteien – CDU und AfD – trennt immer noch ein deutlicher Abstand. Das christdemokratische Minus im Vergleich zur Umfrage im Mai geht auf das Konto der von Friedrich Merz geführten Bundesregierung, die nach schwachem Beginn stark nachlässt. Entsprechend groß ist die Enttäuschung, gerade im CDU-nahen Milieu. Das färbt auf die Landespolitik ab, die sich in der öffentlichen Wahrnehmung zur Bundespolitik verhält wie ein einsames Vergissmeinnicht zu einem üppigen Hortensienstrauß. Der CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel findet nicht leicht Beachtung; das wird sich vor der Landtagswahl im kommenden März noch ändern.
Die entscheidende Frage an der Krisenschwelle zwischen Gesundung und Verfall liegt nun darin, wie sich Hagel und seine Christdemokraten angesichts der Herausforderung durch die AfD verhalten. Dass der 37-Jährige mit Demokratieverächtern nichts am Hut hat, darf man ihm abnehmen. Immerhin ist es das erklärte Ziel der AfD, die CDU zu vernichten. Aber wählt Hagel die richtige Strategie? Zweifel stellen sich ein. Ein wenig Anti-Wokeness-Rhetorik hier, ein bisschen Gender-Gaga dort: geschenkt. Schwieriger verhält es sich mit dem sich abzeichnenden Kulturkampf um den Verbrennermotor. Die CDU hofft darauf, damit verunsicherte Industriearbeiter bei der Stange halten zu können. Diese Menschen zu erreichen, wäre tatsächlich verdienstvoll.
Das Problem liegt darin, dass eine solche Wahlkampagne – ob explizit oder implizit – die Hoffnung nährt, es werde schon irgendwie weitergehen mit dem Verbrenner. Das aber ist ein Irrtum. Die Autoindustrie wird nicht auf Dauer zweigleisig unterwegs sein können: mit Verbrennermotor und Elektroantrieb, dazwischen noch ein bisschen Hybrid und die sinnfreie Range-Extender-Variante. Dazu fehlen den Autokonzernen in einem hart umkämpften Markt schlicht die finanziellen Ressourcen. Das Ergebnis einer Politik der falschen Hoffnungen auf eine Nachblüte des Verbrenners wäre zweifach fatal: Wie schon auf Bundesebene beim Verrat an der Schuldenbremse erlitte die CDU erneut einen Glaubwürdigkeitsverlust – zumal dann, wenn die von der Christdemokratin Ursula von der Leyen geführte EU-Kommission nicht ausreichend pariert. Zudem muss Deutschland bei der E-Mobilität aus dem Modus „rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ herausfinden. Es gilt, technologisch die Zukunft zu gewinnen. Die Vergangenheit sollte die CDU der AfD und – in Sachen Verbrenner – der FDP überlassen.
Und die Grünen? Die Partei Winfried Kretschmanns verliert junge Sympathisanten an die Linke. Alle Hoffnung aber muss die Partei noch nicht fahren lassen. Die Grünen liegen in der Umfrage deutlich hinter der CDU, ihr Spitzenkandidat Cem Özdemir aber rangiert weit vor Hagel. Das ist eine interessante Konstellation, die zeigen wird, was am Ende sticht: Partei oder Person.