Der Wahlkampf in den Onlinenetzwerken hat derzeit einen bemerkenswerten Spitzenreiter: die Alternative für Deutschland. Auf Facebook kann die Anti-Euro-Partei Erfolge vorweisen – bei der Sonntagsfrage allerdings (noch) nicht.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Laut der am Freitag veröffentlichten „Deutschlandtrend“-Wahlumfrage kann die Alternative für Deutschland (AfD) bundesweit derzeit mit drei Prozent der Stimmen rechnen. Das würde nicht für den Einzug in den Bundestag reichen. Bei Facebook hingegen liegt die Partei derzeit wahlkampfmäßig auf Platz eins – zumindest laut dem „Fanpage-Radar“ des Internetdienstleisters Fanpagekarma, das Anfang der Woche veröffentlicht wurde.

 

Fanpagekarma gibt den „Performance“-Wert der AfD-Facebookseite mit 100 Prozent an – mehr geht nicht. Die AfD betreibt damit die derzeit beste Facebook-Präsenz aller Parteien in Deutschland, sagt Stephan Eyl von Fanpagekarma: „Sie machen es von den acht wichtigsten Parteien am besten, auch im Vergleich mit den anderen sind sie sehr gut.“

Wie man Online-Erfolg misst

Fanpagekarma wurde vor anderthalb Jahren gegründet. Die Firma mit fünf Mitarbeitern ist auf das Auswerten und Vergleichen von Social-Media-Aktivitäten spezialisiert. In diesem Bereich läuft es für die „Alternative für Deutschland“ derzeit um einiges besser als für die etablierte Parteien-Konkurrenz.

In Online-Netzwerken geht es weniger um die schiere Zahl der Anhänger als um die Interaktion mit ihnen – also um möglichst viele Kommentare der Fans, um Klicks auf „Gefällt mir“ und Aktionen, bei denen die Anhänger selbst aktiv werden können. Facebook errechnet aus der Menge dieser und anderer Onlinehandlungen, wie wichtig eine Seite für ihre Anhänger ist – je höher dieser „EdgeRank“ genannte Wert und ergo das Engagement der Fans ist, desto wahrscheinlicher werden den Anhängern die Beiträge der Seitenbetreiber angezeigt. Das wiederum ist das Ziel: mit den eigenen Inhalten möglichst viele Nutzer zu erreichen.

Die AfD profitiert von diskussionsfreudigen Anhängern

Die genaue Formel für den EdgeRank hält Facebook zwar geheim. Es gibt aber grobe Anhaltspunkte, worauf es ankommt: geteilte, kommentierte und gelikte Inhalte, Fanzuwachs sowie Beiträge von Anhängern auf einer Seite.

Fanpagekarma hat aus diesen Faktoren einen eigenen Index für Facebook-Erfolg gebildet. Sowohl beim Wachstum (elf Prozent pro Woche) als auch bei der Interaktion (sieben Prozent pro Beitrag) ist die AfD spitze.

Nur nicht politisch korrekt

CDU, Grüne, Linke und FDP hat die Partei in Sachen Facebook-Fans bereits überholt; die SPD (38.400 Anhänger) wird sie wohl bald gepackt haben – am Freitagnachmittag fehlten dazu 1500 Fans. Dann hätte nur noch die Piratenpartei mit rund 77.000 mehr Facebook-Anhänger als die AfD mit ihren aktuell rund 37.300.

Im Online-Team der AfD hat der Spitzenplatz niemanden überrascht. „Wir lassen auf unserer Facebook-Seite viele Gespräche zu, die sonst unterbunden werden“, sagt die Leiterin des fünfköpfigen Teams. Ihren Namen will aus Angst vor Diffamierungen nicht nennen. Ansonsten aber herrsche bei der AfD eine große Transparenz – und die freie Rede. „Bei uns spricht der gemeine Bürger. Das ist der Hauptgrund des Erfolgs. Wir reden nicht politisch korrekt daher“, so die Onlinebeauftragte, die nach eigenen Angaben wie ihre Kollegen ehrenamtlich arbeitet und eigentlich nicht vom Fach ist. Zum Vergleich empfiehlt sie, die Facebook-Seite der Grünen anzusehen: „Da redet kaum einer drüber und die Seite ist stinklangweilig.“

Prognose für den Wahlerfolg?

Tatsächlich macht die AfD auf ihrer Seite gar nicht so viel anders als die etablierten Parteien. Sie veröffentlicht und kommentiert Links zu Internetartikeln der eigenen Seite und des politischen Gegners, bittet um Fotos mit dem AfD-Logo auf dem Auto und ist vor allem ein Forum für ausgiebige Diskussionen über AfD-Kernthemen wie den Euro oder den Wert der traditionellen Ehe.

Taugen die Facebook-Erfolge der AfD als Prognose für den Wahlerfolg am 22. September? „Das ist völlig offen“, heißt es aus der Onlinezentrale der Partei. „Man hat ja keine Vorerfahrung“, sagt Stephan Eyl von Fanpagekarma. Er könne sich aber vorstellen, dass anhaltende Erfolge der AfD darauf hindeuten, dass die Partei die Fünf-Prozent-Hürde überspringt.

Kein Vergleich zu den USA

Das alles gilt aber vor dem Hintergrund, dass der Online-Wahlkampf in Deutschland weit hinter dem Vorreiter USA zurückbleibt. In Deutschland haben die Piraten mit noch 77.000 Fans die meisten Anhänger; die Demokraten in den USA kommt auf mehr als 1,4 Millionen. Angela Merkel, die mit ihren knapp 303.000 Facebook-Fans in dieser Hinsicht bundesweit alles dominiert, kann nicht im Traum an 36 Millionen Follower denken, wie sie US-Präsident Barack Obama aktuell hat. Auch im Verhältnis zur gesamten Wählerschaft sind die deutschen Zahlen im Bereich von meist weit unter 100.000 Anhängern geradezu lächerlich gering.

Immerhin, es besteht Hoffnung: Die Facebook-Performance von Merkel, ihrem Herausforderer Peer Steinbrück und Vizekanzler Philipp Rösler ist laut Fanpagekarma aktuell deutlich besser als die von Obama, seinem Vize Joe Biden oder der Republikanerin Sarah Palin. Zeit also, um im Facebook-Wahlkampf Erfolge zu sammeln. Inwieweit sich das auch an der Wahlurne auszahlt – in drei Monaten weiß man mehr.