Der wahlkämpfende Ministerpräsident Markus Söder will künftig Bayerns Stärken herausstellen und auf Stilfragen achten. Parteichef Horst Seehofer hat sich nicht blicken lassen.

Friedberg - Am 1. September soll der bayerische Wahlkampf „losgehen“ – und wenn das wüste Getümmel der letzten Wochen kein Wahlkampf war, dann kommt noch einiges auf Land und Leute zu. Die Landesversammlung der Jungen Union an diesem Wochenende war jedenfalls für die CSU-Spitze die einstweilen letzte Gelegenheit zu großen Auftritten – wobei der Chef selber, Horst Seehofer, sich nicht sehen ließ. Die JU ist das Terrain von Markus Söder; sie hatte ihn vergangenes Jahr schon provokant zum Ministerpräsidenten ausgerufen, als Seehofer noch lange nicht weichen wollte. Seither kommt dieser nicht mehr, und Beobachter haben erneut Grund zur Frage, ob denn das von Söder und Seehofer gleichermaßen gerühmte „Doppelpass-Spiel“ zwischen den beiden tatsächlich funktioniert.

 

Söder, der ohnehin einen Wahlkampf „Bayern pur“ machen will und der von Berlin“überhaupt nicht spricht – er legt in der brütend heißen Sporthalle des TSV Friedberg an diesem Samstag einen fulminanten Auftritt hin. Bekommt der kalt wirkende CSU-Generalsekretär Markus Blume eher geschäftsmäßigen Applaus, so wird Söder vom Parteinachwuchs regelrecht umjubelt.

Blume, der Wahlkampfmanager, muss sich durchaus Kritik anhören. Ein Delegierter sagt, er kenne „keine Partei, die trotz so starker inhaltlicher Zustimmung bei den Wählern in den Umfragen so stark abstürzen konnte.“ Man wirke „oft unvorbereitet und naiv“ gegenüber Angriffen und fordere dann – damit war an die beleidigte Reaktion auf die „Ausgehetzt!“-Großdemonstration in München vor einer Woche erinnert – „in jeder Rede Mitleid ein.“ Die „Mitleidskarte“ aber, den Gang über die „emotionale Schiene“, das alles habe man als starke CSU nicht nötig.

„Stil ist ganz wichtig“

Ganz im Sinne dieser innerparteilichen Kritik versucht Markus Söder, so etwas wie die „Grundsouveränität“ wiederzugewinnen, die jahrzehntelang das Markenzeichen der CSU in Bayern war, die zuletzt aber heftig erschüttert worden ist. Das ist die neue Ausrichtung des Wahlkampfs; mit der alten ist die Partei in der Wählergunst ja stark – bei der Sonntagsfrage unter die „magischen“ 40 Prozent – gefallen.

Söder will künftig die „Stärken Bayerns“ herausstellen: als „Sprungbrett und Schutzschild“ will er das Land präsentieren, als Erfolgschance für „die, die was werden wollen“ und als Stütze für die Ängstlichen „in den Veränderungen der Zeit“. Spalten will Söder künftig nicht mehr; das Gemeinsame sei stärker als das Trennende, sagt er. Von den Zuwanderern fordert Söder eine „Anpassung an unsere Sitten und Gebräuche“.

Was allerdings Flüchtlinge angeht, so bekräftigt der Ministerpräsident die Kursänderung, die er schon bei der Eröffnung des „Bayern-Bamf“ am Tag zuvor dargelegt hat: Zwischen „Humanität und Ordnung“ brauche es eine neue Balance, sagt Söder. Abschieben wolle man in erster Linie Straftäter, dafür aber „die Ermessensspielräume breiter auslegen bei Leuten, bei denen Integrationsfortschritte erkennbar sind“ – also etwa Asylbewerbern, die eine Ausbildung begonnen oder einen Job gefunden haben. Ihnen gebe man „mehr Möglichkeiten, zu bleiben.“ Söder sagt: „Eine solche Balance verstehen die Bürger, sie werden uns unterstützen.“

Und dann kommt aus den Reihen der JU eine Wortmeldung, die man eher bei der AfD vermuten würde. Das neue bayerische Familiengeld, merkt eine Teilnehmerin an, sei ja gut, aber es dürfe nicht „als Finanzierungsmodell für kinderreiche Familien missbraucht werden“. So bekomme eine deutsche Frau statistisch ja nur 1,4 Kinder, Migrantenfrauen aber bis zu fünfzehn... Söder pariert: „Ich habe vier Kinder, und ich bin Franke.“ Er sagt: „Solche Differenzierungen“ –also zwischen Einheimischen und Zuwanderern – „würde ich nicht machen: Jedes Kind ist schön und bereichert unser Land.“

Was das mögliche Wahlergebnis im Oktober angeht, scheint Söder die Erwartungen tiefer zu hängen. Ja, sagt er, es gebe „Umfragen, die uns nicht gefallen“. Aber es gebe kurz vor dem Wahltermin auch immer den unberechenbaren „Ketchup-Effekt: du haust auf die Flasche, dann kommt entweder ein Riesenschwung oder gar nichts.“