Der niederländische Islamkritiker Geert Wilders macht in Berlin Wahlkampf für die Splitterpartei Die Freiheit.

Berlin - Es hilft nichts, auch nicht, dass der Moderator vorne auf der Bühne von Menschenmassen spricht, die noch auf Einlass warteten, um den "vielleicht bekanntesten Politiker Europas" zu hören: der Saal des Berliner Hotels will sich nicht füllen. Stuhlreihen bleiben leer. Dabei wird hier doch in wenigen Minuten Geert Wilders sprechen, jener Mann mit dem eisblonden Beethovenschopf, den feinen Manieren und den feindlichen Aussagen über den Islam und über Europa - jener niederländische Politiker, der mit seiner nationalistischen Partei PVV die rechtsliberale Minderheitsregierung stützt.

 

Wilders ist in der rechtspopulistischen Szene Europas der Star. Aber es scheint zumindest an diesem Samstag, als sei Berlin an jener Szene reichlich desinteressiert. Schon einmal war der Niederländer hier, vor kaum einem Jahr. Und schon damals kam er, um politische Freunde zu unterstützen: Es war die Zeit, als die halbe Republik sich über Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" erhitzte, und genau in diesen Debattenstrom hinein gründete sich die Partei mit dem Namen Die Freiheit. Diesen politischen Freunden will Wilders auch jetzt helfen, und - wie soll man sagen - sie können es brauchen. Die Partei läge bei der Berlin-Wahl am 18. September laut Meinungsforschern derzeit deutlich unter einem Prozent. Geert Wilders' Auftritt soll nun dem Wahlkampf Schwung und Schlagzeilen bringen. Der Aufwand ist enorm, und der Steuerzahler bezahlt mit. Für Wilders, der als bedroht gilt, herrscht eine hohe Sicherheitsstufe, er wird als europäischer Parlamentarier von der deutschen Polizei eskortiert und im Saal vom Bundeskriminalamt geschützt. Erst drei Stunden vor Veranstaltungsbeginn wird der Ort per SMS an die Teilnehmer bekanntgegeben.

Im Schlussverkauf kosten die Tickets fünf Euro

Wie groß die Hoffnung bei der Freiheit auf diesen Tag war, das lässt sich an den Preisen für die Eintrittskarten ablesen. 100 Euro sollten Fans für die besten Plätze zahlen. Am Ende hilft nicht einmal ein Islamhasser-Schlussverkauf: fünf Euro kosten die Tickets am Samstag, aber statt 750 Menschen kommen etwa 600. Viele davon sind keine Berliner, sondern angereiste Parteifreunde aus anderen Landesverbänden. Drinnen ist man also unter sich. Und das hilft ja immer, die Wahrnehmung ein bisschen zu verschieben.

Als Standardwerk wird vor dem Saal das Sarrazin-Buch verkauft. Die Spannung im kronleuchterbewehrten Bankettsaal steigt derweil, die muskulösen Männer vom Sicherheitsdienst genießen ihre kleine Macht breitbeinig. Dann kommt Wilders, erhebt sich sein Publikum, bricht Jubel aus. Und wer dem Herrn im dunklen Anzug dann beim Reden zuhört, der versteht auch, warum das Häufchen Gegendemonstranten vor der Tür mit seinen "Nazis raus!"-Rufen gegen einen Gegner kämpft, der hier nicht im Saal steht: mit klassischem Rechtsextremismus hat dies hier wenig zu tun. Hier hascht einer nicht in erster Linie nach dem rechten Rand der Gesellschaft, sondern nach ihrer bürgerlichen, unzufriedenen Mitte - mit geschliffener Sprache spricht Wilders von Freiheit und will doch ihr Gegenteil. "Wir haben alle einen Nutzen von einem gesunden, demokratischen Deutschland", sagt er - und was er mit gesund meint, wird sehr klar: Er kämpfe gegen den Islam, da dieser "gewalttätiger Natur" sei, sagt Wilders. Und erntet lauten Jubel, als er sagt: "Unsere westliche Kultur ist anderen Kulturen weit überlegen." Es gehe darum, "Herr im eigenen Haus" zu sein. Er kämpfe mit demokratischen Mitteln, sagt er - und vergleicht sich mit Menschen wie Lech Walesa und Alexander Solschenizyn, denn: "All diese Helden besiegten totalitäre Ideologien durch die Macht ihrer Überzeugung."

Die Menschen im Saal hat Wilders da schon längst, aber er spricht, als adressiere er ganz Deutschland: "Hört auf, euch für Deutschland zu schämen. Seid stolz auf euer Land." Sarrazins Buch zeige, dass "die deutsche Gesellschaft reif für einen Wechsel" sei. Deutschland brauche eine rechte Partei, die respektabel sei und mit Neonazis nichts zu tun habe. Es klingt, als meine Wilders die Freiheit. Deren Spitzenkandidat René Stadtkewitz ist ein schmächtiger, graugesichtiger Herr im Dreiteiler, der die Partei gegründet hat, nachdem er die CDU verlassen hatte. Stadtkewitz weiß, dass Charisma anders aussieht. Er wollte nicht unbedingt Kandidat werden. Er hat nach einem anderen gesucht. Einer Figur. Wenigstens einem wie Thilo Sarrazin. Wer weiß, wie die Umfragen dann ausgesehen hätten.