Der Karlsruher OB-Wahlkampf in Corona-Zeiten: Unmittelbare Kontakte mit dem Wahlvolk sind kaum möglich – Kreativität ist gefragt. Amtsinhaber Frank Mentrup (SPD) muss sich gegen fünf weitere Mitbewerber behaupten.

Karlsruhe - Seit einigen Wochen ist Karlsruhe stadtweit von Wahlplakaten übersät: Die Kandidatenporträts künden von der näher rückenden Oberbürgermeisterwahl am 6. Dezember, bei der sich auch Amtsinhaber Frank Mentrup (SPD) der Wiederwahl stellt. Der Gemeindewahlausschuss hat fünf Mitbewerberinnen und Mitbewerber zugelassen. Die größten Chancen werden, neben dem Rathauschef, der Kandidatin der Freien Wähler, Petra Lorenz, und Sven Weigt, zugerechnet. Er wird von CDU und FDP unterstützt.

 

Der Wahlkampf vollzieht sich dieses Mal unter besonderen Vorzeichen: dem neuen Teil-Lockdown seit November. In Zeiten der Corona-Pandemie ist ein direkter Publikumskontakt zum Wahlvolk kaum möglich. Gefragt ist Kreativität, etwa Livestreams der Kandidaten selbst – die auch vom SWR-Studio oder der örtlichen Tageszeitung geboten wurden. Auch Plakate entwickeln wieder eine neue Bedeutung: Das bestätigte den Karlsruhern jetzt Frank Brettschneider, Kommunikationsexperte der Uni Hohenheim, in einem Interview. Ein Wahlplakat müsse „dann aber gut gemacht sein“, bekundete er.

Der Wahlkampf geht online

Es sei ja nun nicht so, „dass der Lockdown völlig überraschend kommt“, sagt Sarah Dußler vom Vorstand der Grünen Karlsruhe. „Wir als Grüne und SPD haben deshalb schon im Vorfeld keine großen Präsenzveranstaltungen geplant, sondern auf Online-Diskussionen zu verschiedenen Themen gesetzt.“ Ähnlich argumentiert auch der langjährige SPD-Stadtrat Michael Zeh, der zum Wahlkampfteam des amtierenden Rathauschefs Mentrup zählt. „Der Wahlkampf geht mehr in Richtung online“, sagt er. Nach der Nominierung durch die SPD, deren Mitglied Mentrup ist, hatten vergangenen Februar auch die Karlsruher Grünen, als die seit der letzten Kommunalwahl stärkste Fraktion im Stadtrat, mit überwältigender Mehrheit die neuerliche Unterstützung für den bald acht Jahre amtierenden Oberbürgermeister signalisiert.

Zu den Umständen des Wahlkampfs in Corona-Zeiten gibt es derweil unterschiedliche Stimmen. Eine Zeit lang stand auch die öffentliche Kandidatenvorstellung der Stadt wohl knapp vor der Absage. Doch sie fand statt, mit Hygienekonzept – zugelassen für 100 Teilnehmer.

Was ist im Lockdown erlaubt?

„Die CDU-Fraktion sieht die Frage, wie unter den Bedingungen des Lockdowns Wahlkampf stattfinden kann, als sehr berechtigt an“, teilt eine Sprecherin der CDU-Fraktionsgeschäftsstelle auf Anfrage mit. Wichtig war es der Partei dabei, frühzeitig „rechtliche Klarheit und Eindeutigkeit darüber zu haben, was den Wahlkämpfern erlaubt ist und was nicht“. Inzwischen benannte der Kreiswahlleiter, Bürgermeister Albert Käuflein (CDU), auch die Kriterien für Stände auf den Wochenmärkten. Diese können stattfinden – unter den gleichen Hygieneregeln, wie für die Marktbeschicker.

Nicht nur der gemeinsame Kandidat von CDU und FDP, Sven Weigt, Bürgermeister einer Kleinstadt im Landkreis, hat erkennbar Schwierigkeiten, sich den potenziellen Wählerinnen oder Wählern persönlich bekannt zu machen.

Das betrifft ebenso etwa die Kandidatin der Freien Wähler und der Wählergemeinschaft „FÜR Karlsruhe“, die Stadträtin und Unternehmerin Petra Lorenz. Von inhaltlichen Auseinandersetzungen um kontroverse Themen ganz zu schweigen. Hausbesuche in den Vororten scheiden aktuell aus. Öffentliche Podiumsdiskussionen zur Meinungsbildung, so wie früher in Wahlkämpfen üblich, gibt es nicht. Weigt und Lorenz übten zuletzt beispielsweise deutlich Kritik an der Haushaltspolitik des Amtsinhabers und auch an den ausufernden Kosten bei zeitgleich mehreren Großprojekten. Auch die lange schwelende Affäre um den Intendanten des Staatstheaters machte Schlagzeilen. Ein Selbstläufer, so glauben Beobachter, ist die Wiederwahl von Oberbürgermeister Frank Mentrup nicht.

Amtsinhaber im Vorteil

Unzweifelhaft ist der Amtsinhaber, unter den Bedingungen der Corona-Pandemie, ganz klar im Vorteil, allein qua Amt – das bestätigt auch der Experte Brettschneider. Auffällig gehäuft waren zuletzt Landesminister in Karlsruhe: etwa Winfried Hermann und Manfred Lucha (Grüne). Die vorige Woche nahezu zeitgleich gelaufenen virtuellen Kandidatenrunden des SWR, der lokalen Tageszeitung, und der im Nachgang ins Netz gestellten Kandidatenvorstellung der Stadt werden freilich bislang nur mäßig geklickt: der Youtubekanal der „BNN“ hatte an diesem Freitag, nach mehr als einer Woche, gerade mal 5640 Abrufe – der Stream der Stadt rund 1330. Das scheint doch eher wenig zu sein, in einer Großstadt mit 233 000 Wahlberechtigten.

Grünen-Sprecherin Sarah Dußler bewertet das eher nüchtern: „Wir wissen nicht, wie lange uns das Virus noch beschäftigt. Wir müssen als Gesellschaft Wege finden, wie unsere demokratischen Prozesse auch unter Corona-Bedingungen weiterlaufen können.“ Sven Weigt will jedenfalls nichts wissen von einer möglichen Verschiebung der Wahl. Die größte Unbekannte wird wohl die Wahlbeteiligung sein. Die Stadt hat ein neues, barrierefreies Briefwahlbüro eröffnet in der Innenstadt; aber zugleich die Zahl der Wahlurnen in einzelnen Vororten reduziert – Corona-bedingt, wie es heißt. Fast 50 000 Anträge auf Briefwahl liegen der Stadt derzeit vor, 18 800 waren es noch vor acht Jahren insgesamt.