Keine Partei hat einen Bewerber vorzuweisen, der dem Grünen OB Horst Frank nachfolgen könnte – dabei sind es bis zur Wahl nur noch hundert Tage.

Konstanz - Es scheint begehrtere Posten als den des Oberbürgermeisters von Konstanz zu geben. Dieser Eindruck drängt sich in den vergangenen Wochen geradezu auf. Während alle Welt wie gebannt auf den CDU-internen Vorwahlkampf um den OB-Posten von Stuttgart blickte, ging es fast unter, dass in der größten Stadt am Bodensee der durchaus attraktive Job des Rathauschefs zu vergeben ist.

 

Mit dem heutigen Tag sind es noch genau hundert bis am 1. Juli rund 60.000 Wahlberechtigte der Universitätsstadt mit ihren etwa 84.000 Einwohnern zu den Urnen gerufen werden. Doch noch immer ist im altehrwürdigen Rathaus in der mittelalterlichen Kanzleistraße keine einzige Bewerbung eingegangen. Keine der Parteien hat bisher einen Kandidaten präsentiert. Einzelbewerber haben sich auch nicht gemeldet.

Schon fragt die Lokalpresse besorgt: „Will denn keiner OB in Konstanz werden?“ Immerhin geht es um die Nachfolge von Horst Frank, der mit demnächst 63 nicht mehr antritt. Der Rechtsanwalt war 1996 als erster Grüner in das Amt eines Oberbürgermeisters gewählt worden. Seinem Beispiel folgten – ebenfalls in Universitätsstädten – Dieter Salomon (Freiburg) und Boris Palmer (Tübingen). Die Grünen suchten deshalb vorsichtshalber mit Anzeigen in der linksbürgerlichen „Tageszeitung“ (taz) und im lokalen „Südkurier“ nach einem geeigneten Nachfolger oder einer Nachfolgerin. Eine Frau hatte es in den rund 200 Jahren, in denen Oberbürgermeister die Stadtgeschicke leiten, noch nie in das höchste Amt geschafft.

Renner ist die Lust auf Kandidaturen vergangen

Wichtige, im Vorfeld heiß gehandelte Kandidaten haben sich bereits verschlissen oder selbst aus dem Bewerberfeld geschossen. Der prominenteste unter ihnen: Andreas Renner (CDU). Der frühere baden-württembergische Sozialminister und OB von Singen hat sein Glück vergeblich in der Landeshauptstadt versucht und unterlag im parteiinternen Ausscheidungskampf dem vom „Stuttgarter Establishment“ (Renner) unterstützten, aber parteiungebundenen Werbeprofi Sebastian Turner. Diese Niederlage schmerzt Renner offenkundig so sehr, dass er erklärte, die Lust auf Kandidaturen sei ihm vergangen.

Dabei war Andreas Renner in Konstanz durchaus als chancenreich gehandelt worden, bevor er sich zu Höherem und vermeintlich Besserem in Stuttgart berufen fühlte. Gegenwärtig, so wird kolportiert, sondiert der Konstanzer CDU-Bundestagsabgeordnete und neue südbadische Bezirksvorsitzende Andreas Jung eifrig die Reihen geeigneter Kandidaten unter den Bürgermeistern und Dezernenten im Land. Fündig ist der 36-Jährige offenbar aber noch nicht geworden. Selbst einen unabhängigen Kandidaten ohne CDU-Parteibuch kann sich der alerte Jungpolitiker vorstellen. Merke: Von Stuttgart lernen, heißt siegen lernen. „Das Ziel ist, einen Kandidaten zu finden, der zu Konstanz passt“, fasst Jung das Minimalziel greifbar zusammen, hinter dem sich idealerweise auch die FDP und die Freien Wähler als bürgerliche Parteien versammeln sollen. Nach Ostern werde man mit einer Bewerbung rechnen dürfen, orakelt Jung.

Selbst aus den Spekulationen genommen hat sich Tobias Engelsing. Dem früheren Journalisten und heutigen Leiter der Städtischen Museen wurden allgemein die größten Chancen eingeräumt. Doch ließ der Historiker wissen, er habe nach vielen Jahren als Lokalchef des „Südkurier“ keine Ambitionen mehr in der Kommunalpolitik. Er wolle sich vielmehr auf seine Aufgaben als Museumsleiter konzentrieren.

Man munkelt, die SPD habe einen Kandidaten

Die SPD, die eigens eine Findungskommission bildete, soll als Einzige bisher erfolgreich gewesen sein. Angeblich, wird in gut unterrichteten Kreisen erzählt, haben die Sozialdemokraten das Oberhaupt einer anderen Stadt zur Kandidatur in Konstanz überreden können. Offiziell aber erfährt man nichts. Allenthalben ist zu hören, es sei zu früh, einen Kandidaten zu präsentieren. Im April werde man dies zum Thema machen, sagt SPD-Stadtchef Uwe Herwig. Dann ist aber so viel Zeit auch nicht mehr, um einen Aspiranten bekannt zu machen. Die Bewerbungsfrist beginnt offiziell am 28. April und endet am 4. Juni. Gewählt wird am Sonntag, dem 1. Juli, dem Tag des Endspiels der Fußball-EM in Kiew.

Vom Stadtvogt zum Oberbürgermeister

Bürgermeister kennt man in Konstanz seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit waren Gericht und Rat in Konstanz in der Hand des Vogtes. Oberbürgermeister Von 1810 bis 1945 haben acht Rathauschefs die größte Stadt am Bodensee regiert. Mit der bekannteste an der Stadtspitze war der Liberale und Freimaurer Max Strohmeyer (1866–1877).

Seit dem Zweiten Weltkrieg führten neun Männer die Geschicke der Stadt. Nachdem 1945 ein Dreiergespann und danach Fritz Arnold (SPD) 1946 kommissarisch die Amtsgeschäfte leiteten, waren dies von 1946–1957 Franz Knapp (CDU), von 1957–1959 Alfred Diesbach (SPD), von 1959–1980 der wegen seiner Verstrickungen in die NS-Geschichte seit Kurzem heftig umstrittene Bruno Helmle (CDU) und von 1980–1996 Horst Eickmeyer (Freie Wähler). 1996 wurde Horst Frank als erster Grüner OB einer deutschen Stadt.