Wahlkampf Merz ist kein deutscher Trump

Wo Olaf Scholz (Hintergrund) sitzt, will Friedrich Merz hin: der CDU-Chef bei einer Rede im Bundestag, den Posten des Kanzlers fest im Blick. Foto: dpa/Michael Kappeler

Im Wahlkampf setzt die SPD auf Dämonisierung. Sie hat dabei vor allem den Kanzlerkandidaten der Union im Visier. Das schadet der politischen Kultur, meint StZ-Autor Armin Käfer

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Noch hat der Wahlkampf offiziell gar nicht begonnen. Doch der Ton ist gesetzt. In der wichtigsten Wahlkampfparole der SPD kommen weder die Sozialdemokraten noch deren Kanzlerkandidat Olaf Scholz vor. Dafür die Konkurrenz. Die Parole besteht überhaupt nur aus einer einzigen Phrase. Sie benennt, worauf die Attacken im Kampf um Wählerstimmen zielen werden: auf die „Merz-CDU“. Die SPD plant allem Anschein nach einen Wahlkampf der maximalen Personalisierung – jedenfalls aufseiten der Konkurrenz. Sie sieht ihr Heil vor allem in einer Dämonisierung des Mannes, der nach aktueller Lage die besten Chancen hat, Deutschlands nächster Kanzler zu werden.

 

Die CDU, in allen Umfragen gemeinsam mit ihrer bayrischen Schwesterpartei weit vorne, ist aber so wenig eine „Merz-CDU“ wie die SPD eine Scholz-SPD. Letzteres war in den vergangenen Tagen hinlänglich zu besichtigen. Die Mehrheit derer, die den Sozialdemokraten zuneigen, hätten sich einen anderen Kandidaten gewünscht. Im schwarzen Lager ist das nicht der Fall. Nahezu drei Viertel der Unionsanhänger würden laut einer aktuellen Umfrage Merz zum Kanzler küren, wenn er direkt zur Wahl stünde.

Die Dämonisierung der zurzeit mit Abstand stärksten Partei als „Merz-CDU“ zielt auf deren Achillesferse: die Schwächen ihres Kandidaten. Da wäre zum einen die keineswegs überbordende Popularität zu nennen. Beliebt ist Friedrich Merz als Person keineswegs – aber deutlich weniger unbeliebt als Scholz. Ein bald 70-jähriger Konservativer, der sich 2009 für Jahre aus der Politik verabschiedet hatte, lässt sich leicht als „Mann von gestern“ schmähen. Seine demonstrative Großspurigkeit, die Fotos am Steuerknüppel eines Privatflugzeugs illustrieren, macht ihn für überzeugte Genossen zur Ikone eines Fürsprechers der Vielverdiener und Vermögenden. Am stichhaltigsten ist der Hinweis: Merz verfügt im Unterschied zu allen, die bisher in Deutschland Kanzler wurden, über keinerlei Regierungserfahrung.

Scholz ist kein Schröder – und Merz kein Laschet

Das ist die Munition, mit der die Strategen der SPD den Wahlkampf trotz aussichtsloser Startposition noch zu gewinnen gedenken. Ihre Hoffnungen ruhen dabei auf den Erfahrungen mit den (mal beinahe, später tatsächlich erfolgreichen) Aufholjagden 2005 und 2021. Das lag an den Stärken des ehemaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder und den Schwächen des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Doch Scholz ist kein Schröder – und Merz kein Laschet, auch wenn ihn andere Risiken begleiten.

Ungeachtet aller Spekulationen und Projektionen, die sich aus der Vergangenheit herleiten: Die Dämonisierung eines demokratischen Gegenspielers wirft ganz andere Fragen auf. Das hat die Grüne Mona Neubaur, stellvertretende Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen, mit einem Satz zusammengefasst: „Merz ist kein Trump 2.0“. Da ohnehin schon ein Drittel des Wahlvolks sein Heil bei Populisten und Demagogen sucht, verbieten sich Negativkampagnen, die ohne diffamierende Anklänge kaum auskommen werden.

Leider ist das Gegenteil von diesem verkürzten Wahlkampf zwischen Silvester und Karneval zu erwarten. Die Parteien werden noch mehr auf Personen als auf Sachthemen setzen, die in der knappen Zeit kaum zu vermitteln sind. Schon das ist ein Grund, warum die SPD vorrangig eine „Merz-CDU“ attackiert statt deren Alternativprogramm zur missglückten Ampelpolitik. Ein derart verenger Blick zeugt auch von Alarmismus. Am Ende bleibt aber die nicht unwahrscheinliche Perspektive: Die Zukunft der SPD könnte unter Regie der verteufelten Merz-CDU in eine neue Groko führen.

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