Wahlkampf rund um Leonberg Hat die Zerstörung von Wahlplakaten zugenommen?

Zerstörte Plakate von FDP, SPD und Grünen. Foto: Simon Granville

Hier ein Hitlerbärtchen, dort ein grober Spruch: Im Wahlkampf werden Plakate von Parteien immer wieder zerstört oder entfernt. Das passiere im normalen Maße, sagen manche, aber nicht alle Ortsverbände.

Auch der Leonberger CDU sitzt der Schreck ein wenig in den Knochen: In der Nacht auf Dienstag war das Böblinger Büro des CDU-Politikers Marc Biadacz mit Nazivergleichen beklebt worden. „Natürlich betroffen und verständnislos“ sei man auch im Leonberger Ortsverband der Christdemokraten, sagt der Fraktionsvorsitzende Oliver Zander. Gerade erst war er mit seiner Partei Teil des Pferdemarktumzugs, auch davor habe er sich gefragt: Kommen da Äußerungen unter der Gürtellinie, Beschimpfungen gar? „Aber es war okay“, sagt Zander.

 

Klar ist: Die politische Stimmung im Land ist aufgeheizt, angefeuert noch durch die kürzliche Abstimmung im Bundestag, bei der ein Antrag der CDU mit Stimmen der AfD Erfolg hatte. Das zeigt sich auch beim Wahlkampf in den Kommunen: Über 60 Fälle von beschädigten, zerstörten oder entwendeten Wahlplakaten wurden der Polizei alleine am Wochenende nach diesen Ereignissen im Bundestag gemeldet, insbesondere betroffen: AfD und CDU.

Für den Landkreis Böblingen gingen seit dem 27. Januar beim zuständigen Polizeipräsidium Ludwigsburg 16 Anzeigen zum Stichwort „Wahlplakat“ ein, viele davon fassten gleich mehrere Vorfälle zusammen. Mindestens 70 beschädigte Plakate müssten es insgesamt sein, sagt Polizeisprecher Steffen Grabenstein. „Ebenfalls waren nahezu alle Parteien betroffen, in den meisten Fällen weiterhin und mit großem Abstand die AfD, gefolgt von der CDU, den Grünen und der Linken.“ Nicht in dieser Statistik tauchen zerstörte Plakate auf, die gar nicht erst gemeldet wurden.

„Vertane Zeit für uns und die Beamten“

Und die Parteien vor Ort? Die melden zum Großteil gar keine größere Zerstörungswut bei den Plakaten als sonst. Die Plakate der Leonberger CDU etwa würden nicht „über das normale Maß hinaus“ zerstört werden, so Oliver Zander. Die Plakate, die verschwinden, würden von der Partei ersetzt. Und gemeldet hat er der Polizei bisher keine Fälle von Vandalismus. „Wenn jetzt ein Plakat wirklich übel beschmiert oder beschädigt wäre, würden wir das machen“, sagt Oliver Zander.

Unter den im Bundestag vertretenen Parteien ist im Zuständigkeitsgebiet des Polizeipräsidiums Ludwigsburg die AfD wohl die am stärksten betroffene. Der Leonberger Ortsverband der Rechtsaußenpartei meldet die beschädigten Plakate in der Regel nicht gleich der Polizei – zumindest nicht mehr, sagt Thomas Hartung. Er sitzt für die AfD, die in Baden-Württemberg vom Verfassungsschutz beobachtet wird, im Leonberger Gemeinderat. „Es ist vertane Zeit für uns als auch für die Beamten, da gefühlt 99 Prozent der Fälle unaufgeklärt bleiben“, erklärt Hartung. In Leonberg habe man bisher zweimal größer nachplakatieren müssen, etwa im Ramtel, wo der Schwund auffällig hoch gewesen sei.

Kein demokratischer Miteinander

Auch in Weil der Stadt gebe es beschädigte Plakate, sagt FDP-Stadtrat Carsten Dvorak, „aber deutlich weniger als ich vermutet hätte.“ Von einer Plakatwand in Münklingen würden regelmäßig Poster gerissen, aber von allen Parteien, nicht nur von der FDP. „Wir haben nachplakatiert und nachgeklebt“, so Dvorak. Klar ist für ihn: Einem demokratischen Miteinander entspricht die Zerstörung nicht. „Jeder haut nur noch aufeinander, ohne Brücken zu bauen“, lamentiert er. „Das finde ich befremdlich.“

Nicht mehr Zerstörung als bei anderen Wahlen hat bisher auch der Vorsitzende des Gerlinger SPD-Ortsverbandes Frank Moll wahrgenommen. Bei einem Plakat sei mal eine Ecke mit einem Taschenmesser abgeschnitten worden, aber ansonsten habe man im Ort wenig Probleme mit Vandalismus gehabt. In Ordnung sei es, dass die Menschen während des Wahlkampfes ihren Frust bei den Parteien abladen würden, etwa an Wahlständen. „Dafür stehen wir da ja auch“, sagt Moll. Unsicher fühle er sich deshalb nicht, und in dieser Wahlsaison habe er auch eher konstruktive Fragen und Gespräche erlebt. Aber bei der Kommunalwahl sei sein Ortsverband an Infoständen teilweise richtig angepöbelt worden.

Weil der Stadt: 30 Prozent Schwund bei Linkspartei?

Vorkommnisse an den Wahlkampfständen hat es in Ditzingen bisher nicht gegeben, berichtet die Grünen-Fraktionsvorsitzende Doris Renninger. „Es ist eigentlich alles normal“, sagt sie. Auch in Sachen Wahlplakate: Ab und an würde mal eins schief vom Ampelmast baumeln. Zerstörung, die sei in Ditzingen aber „nicht so arg“.

Anders als die Vertreterinnen und Vertreter manch anderer Partei berichtet derweil Moritz Riexinger, Stadtrat der Linkspartei in Weil der Stadt, von Vandalismus rund um Wahlplakate. „Wir haben nicht unglaublich viel plakatiert“, berichtet er. „Aber davon sind vielleicht 30 Prozent beschädigt oder komplett abgehängt worden.“ Er denkt, dass es dabei tatsächlich gezielt um die Plakate der Linken gehe. „Andere Plakate daneben bleiben oft hängen.“ Verständnis hat Riexinger dafür keines. Alles, was abgehängt wird, versucht die Weil der Städter Linkspartei auch wieder aufzufüllen. Der Polizei gemeldet habe man bisher nichts, sagt Riexinger. „Aber wir wollen das noch tun, damit die Fälle in der Statistik auftauchen.“

Ist Plakat-Vandalismus strafbar?

Straftat
Wahlplakate sind nicht nur Teil eines demokratischen Prozesses, sondern zählen als Eigentum der Parteien. Werden Plakate also beschmiert oder beschädigt, ist das Sachbeschädigung – und wer ein Plakat mitnimmt, begeht Diebstahl. Beides ist strafbar und kann laut Strafgesetzbuch eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe mit sich ziehen. Mit einer härteren Strafe darf rechnen, wer verfassungsfeindliche Symbole wie Hakenkreuze auf Wahlplakaten hinterlässt.

Selbstjustiz
Wer der Meinung ist, ein Plakat enthalte volksverhetzende Inhalte, sollte die Polizei informieren und Anzeige erstatten. Selbstjustiz ist nicht zu empfehlen, denn egal, was auf dem Plakat steht: Die Zerstörung ist trotzdem strafbar.

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