Im Wahlkampf wird immer stärker über das Auto diskutiert. Die Kanzlerin wirft der Autoindustrie vor, Vertrauen verspielt zu haben. VDA-Präsident Wissmann mahnt dagegen, die Ergebnisse des Dieselgipfels nicht kleinreden.

Berlin - Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Wahlkampfstart die Autobosse attackiert hat, appellierte die Industrie, die Debatte zu versachlichen. Merkel sagte vor Anhängern der Unionsparteien in Dortmund: „Weite Teile der Automobilindustrie haben unglaubliches Vertrauen verspielt.“ Die Regierungschefin kündigte für den Herbst einen zweiten Dieselgipfel an und bezeichnete die von der Industrie geplanten Software-Updates für 5,3 Millionen Diesel-Pkw als das Mindeste, um sich ehrlich zu machen. Auch die versprochenen Umtauschprämien der Hersteller seien nur ein erster Schritt. Die Autoindustrie trat aber umgehend dem Eindruck entgegen, die eingeleiteten Maßnahmen reichten nicht aus. „Diejenigen, die nach dem Dieselgipfel versucht haben, dessen Ergebnisse kleinzureden, sollten ihr vorschnelles Urteil überprüfen“, erklärte Matthias Wissmann, Präsident des Verband der Automobilindustrie (VDA) in Berlin. Die Automobilindustrie wisse um ihre Verantwortung, Glaubwürdigkeit und Vertrauen wiederzugewinnen. Die Software-Nachrüstung und die Umtauschprämien würden ihre Wirkung entfalten und die Luftqualität verbessern, meinte Wissmann.

 

Industrie hält Umstiegsprämie für attraktiv

Der VDA beruft sich auf Umfragen, die belegten, dass fast jeder zweite Dieselfahrer die Frage bejahte, wonach ihn die Umstiegsprämie der Hersteller zum vorzeitigen Neuwagenkauf bewegen könne. Wissmann betonte, dass alle deutschen Autohersteller Programme aufgelegt hätten, die Anreize zum Kauf eines abgasärmeren Autos bieten. Damit setzten die Unternehmen die auf dem Dieselgipfel beschlossenen Maßnahmen zügig um. Aus Sicht des VDA würden die Programme die Pkw-Nachfrage spürbar beleben. Damit werde auch der Umstieg in die Elektromobilität unterstützt.

Die Kanzlerin erteilte Forderungen der SPD, eine Quote für Elektroautos einzuführen, eine Absage. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hatte zuvor eine europaweite Quote für Elektroautos verlangt. Merkel sagte, sie glaube, dass der Vorschlag nicht richtig durchdacht sei. Er sei schwer umzusetzen. Damit bezog die Kanzlerin eine klare Position. Am Vortag hatte Regierungssprecher Steffen Seibert im Namen Merkels mitgeteilt, die Kanzlerin begrüße jeden Vorschlag, der zur Verbreitung der Elektromobilität beitrage. In der Unions-Bundestagsfraktion war Schulz’ Vorschlag von Anfang an auf Ablehnung gestoßen. Die SPD kritisierte Merkel für die abweisende Haltung. Umweltministerin Barbara Hendricks sagte, ohne eine Quote bei E-Autos seien die Klimaschutzziele nicht zu erreichen. Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) bemängelte, dass Merkel ein Konzept fehle. Es reiche nicht, Vorschläge abzulehnen, ohne Alternativen zu benennen.

SPD: Automanager haben Zukunft verschlafen

Der SPD-Parteivorsitzende hat der Autoindustrie ebenfalls schwere Vorwürfe gemacht. Das Problem sei, dass „millionenschwere Manager bei VW, bei Daimler, die Zukunft verpennt haben“, sagte Schulz im ZDF. Wegen des kurzfristigen Effekts in ihren Bilanzen hätten die Unternehmen zu wenig in Zukunftsbereichen investiert. Dem stehen frühere Aussagen des VDA gegenüber, wonach die deutsche Automobilindustrie jährlich weltweit über 39 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert. Das ist nach Angaben des VDA mehr als japanische und amerikanische Hersteller aufbringen. Allein für Elektromobilität gäben deutsche Hersteller und Zulieferer bis 2020 rund 40 Milliarden Euro aus.