Befristete Verträge, Zeitarbeit, schlechte Bezahlung – mit solchen Problemen kenne sie sich aus, sagt Stefanie Rausch. Für davon betroffene Menschen will sie sich einsetzen, falls sie als Kandidatin für die Partei Die Linke in den Landtag gewählt wird.

Weissach - Wenn Stefanie Rausch in Bruch, einem Ortsteil der Gemeinde Weissach, unterwegs ist, begegnen ihr an jeder Ecke Erinnerungen aus der Kindheit und Jugend. Die Scheune mit dem verblassten Schriftzug „Bullen sind Nullen“ zum Beispiel steht immer noch. Und die Kelter. Das Gebäude am Ortsausgang mit Streuobstwiesen und einem schönen Blick rundum hat sich Stefanie Rausch als den Lieblingsort ausgesucht, an dem sie fotografiert werden möchte.

 

Als Kind habe sie im nahe gelegenen Wald fleißig Lägerle gebaut, erzählt die 35-Jährige, die inzwischen in Backnang lebt. Später habe sie sich mit anderen für ein Jugendzentrum in Bruch eingesetzt. „Das war wohl mein erstes politisches Engagement“, sagt Stefanie Rausch im Rückblick. Danach habe sie lange Zeit nichts mehr in diesem Bereich gemacht: „Ich bin niemand, der gerne im Mittelpunkt steht.“

Obendrein hat Stefanie Rausch im privaten Bereich einige Turbulenzen meistern müssen. Erst seit dem Jahr 2012 steht der Name Stefanie in ihrem Ausweis, zuvor war sie Stefan. „Ich habe jahrelang ein Doppelleben geführt“, sagt Rausch, die sich im Jahr 2010 entschieden hat, das zu ändern. Seitdem geht sie offen damit um – ein Jugendfoto von sich will sie aber lieber nicht in der Zeitung abgedruckt sehen.

Die Linke passt am besten“

Vor drei Jahren kandidierte Stefanie Rausch dann bei den Kommunalwahlen für die Backnanger Demokraten. „Ich hatte gelesen, dass nur 1,2 Prozent aller Deutschen Mitglied in einer Partei sind.“ Das fand und findet Rausch sehr problematisch – schließlich lege somit eine äußerst geringe Anzahl von Menschen die Parteiprogramme fest. Sie selbst hat sich letztere genau durchgelesen und beschlossen: „Die Linke passt am besten.“

Nun tritt sie also im Wahlkreis Schorndorf als Landtagskandidatin für ebendiese Partei an. Die politische Arbeit sei „eine ernüchternde Erfahrung“, sagt Rausch – zumindest bei kleineren Parteien: „Egal, was wir machen wollen, uns fehlen die Leute und zum Teil auch die finanziellen Mittel.“ Dass ihre Partei trotzdem den Anspruch hat, den Plakatierern im Wahlkreis einen Mindestlohn zu bezahlen, findet Stefanie Rausch richtig und wichtig.

Befristete Verträge, Zeitarbeit, schlechte Bezahlung – mit solchen Problemen kenne sie sich aus, sagt Rausch, die findet, erschreckend große Teile der Bevölkerung seien nicht in den Parlamenten repräsentiert. Ihren Schwerpunkt setzt sie im Bereich Sozialpolitik: „Da kann ich aus eigener Erfahrung sprechen.“ Sie kenne als Kind einer ehemaligen Unternehmerin die Probleme, geeignete Mitarbeiter zu finden: „Meine Mutter hat Kraftfahrer gesucht, und das Arbeitsamt schickte ihr Bewerber, die keinen Führerschein hatten.“ Auf der anderen Seite sei ihr selbst als Arbeitssuchender ohne Auto und Führerschein auferlegt worden, sich für ebensolche unpassenden Stellen zu bewerben.

Rausch ist gelernte Industrieelektronikerin, doch „den Beruf gibt es eigentlich nicht mehr“. Das Programmieren und die Schaltungsentwicklung, einst auch Aufgaben des Industrieelektronikers, werde heutzutage ausschließlich von Ingenieuren gemacht. Ansonsten gebe es in der Elektroindustrie noch Aushilfsjobs: „Alles dazwischen ist durch Maschinen ersetzt worden.“ Stefanie Rausch hat daher ein Fernstudium für Androidprogrammierung übernommen, um sich beruflich neu zu orientieren. Eine Art Neuanfang habe auch ihre Partei hinter sich, sagt Stefanie Rausch: „Viele Fehler sind erkannt worden, es gab einen großen Aufarbeitungsprozess, und man hat erkannt, dass Sozialismus ohne Demokratie nicht funktionieren kann.“

Nicht nur „kurz auf knapp kalkulieren“

Längerfristiges Denken hält Stefanie Rausch sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik für dringend nötig. Unternehmen, die nur noch „kurz auf knapp kalkulieren“ und auf befristete Verträge setzen, könnten nicht erwarten, dass ihre Mitarbeiter hochmotiviert seien. Und Politiker dürften nicht nur von einer Legislaturperiode bis zur nächsten, sondern müssten langfristig und antizyklisch denken: „In Krisensituationen müsste der Staat investieren, statt zu sparen, und die Schulden dann bei einem Aufschwung abzahlen.“ Die Sparpolitik der vergangenen Jahre „fliegt uns jetzt um die Ohren“, sagt Rausch – das zeige sich auch bei der Flüchtlingsfrage.