Regierungschef Netanjahu strebt eine fünfte Amtszeit an. Nach ersten Prognosen liefert sich Netanjahus konservativer Likud mit dem Mitte-Bündnis seines Rivalen Gantz ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Regierungsbildung könnte zur Hängepartie werden.

Jerusalem - Bei Israels Parlamentswahl zeichnet sich ein knappes Rennen zwischen dem konservativen Regierungschef Benjamin Netanjahu und seinem oppositionellen Herausforderer Benny Gantz ab. Netanjahus Likud kam laut TV-Prognosen auf 33 bis 36 Mandate und Gantz’ Mitte-Bündnis Blau-Weiß auf 36 bis 37 Mandate. Beide Seiten erklärten sich anschließend jeweils zu Siegern.

 

Zwei Fernsehsender sahen das rechte Siedlerlager mit Netanjahus konservativem Likud, den strengreligiösen Parteien und den rechten Parteien mit 64 bis 66 Mandaten klar vorn. Das Mitte-Links-Lager mit Gantz’ Bündnis Blau-Weiß, der Arbeitspartei, der linken Merez-Partei und den arabischen Parteien erhielt dabei 54 bis 56 Mandate.

Beide Lager gleichauf

Bei einem weiteren Fernsehsender kamen beide Lager auf jeweils 60 Mandate. Für eine Regierungsmehrheit sind mindestens 61 von 120 Mandaten notwendig.

„Der rechte Block unter Führung des Likud hat eindeutig gesiegt“, sagte Netanjahu (69) am Dienstagabend. „Ich danke den israelischen Bürgern für ihr Vertrauen. Ich werde noch heute Nacht damit beginnen, gemeinsam mit meinen natürlichen Partnern eine rechte Regierung aufzubauen.“

Gantz (59) und sein Mitstreiter Jair Lapid erklärten dagegen gemeinsam: „Wir haben gesiegt! (...) Diese Wahl hat einen klaren Sieger und einen klaren Verlierer. Netanjahu hat 40 Sitze versprochen und verloren.“

Rechnerisch möglich ist nach den Prognosen auch eine große Koalition von Likud und Blau-Weiß. Allerdings hatten sowohl Netanjahu als auch Gantz im Wahlkampf gesagt, sie würden nicht mit dem jeweils anderen in einer Regierung sitzen.

Mögliche Koalitionspartner für Likud und Blau-Weiß erhielten lediglich Mandate im mittleren einstelligen Bereich: Die Arbeitspartei erhielt nur sechs bis acht Sitze. Die Partei die Neue Rechte von Erziehungsminister Naftali Bennett und Justizministerin Ajelet Schaked verpasste vermutlich den Einzug in das Parlament. Die linke Merez-Partei kommt laut Prognosen auf vier bis fünf Sitze. Wer drittstärkste Kraft wird, war zunächst unklar.

Netanjahu ist seit 2009 durchgängig im Amt

Netanjahu führte zuletzt eine Regierungskoalition mit den rechten und strengreligiösen Parteien an. Die Wahlen waren wegen einer Regierungskrise vorgezogen worden. Ursprünglich waren sie erst für November angesetzt gewesen.

Netanjahu ist seit 2009 durchgängig im Amt und war auch von 1996 bis 1999 Ministerpräsident. Er steht aktuell wegen Korruptionsvorwürfen massiv unter Druck. Israels Generalstaatsanwalt will in drei Fällen wegen Korruption Anklage gegen Netanjahu erheben. Es geht um Bestechlichkeit, Untreue und Betrug. Vor einer endgültigen Entscheidung, ob der Regierungschef wirklich vor Gericht muss, hat aber noch eine Anhörung zu erfolgen. Netanjahu weist alle Vorwürfe zurück.

Gegen Mittag sorgten Berichte über versteckte Kameras in Wahllokalen in arabischen Orten für Unruhe. Netanjahus Likud-Partei habe 1200 Wahlbeobachter mit versteckten Kameras entsandt, schrieb die „Times of Israel“. Ein Vertreter der Partei sagte demnach der Nachrichtenseite, das „Problem ist das Verhalten der Leute in arabischen Gemeinden“, nicht die Maßnahmen des Likuds, „um eine faire Wahl sicherzustellen“.

Die Polizei sprach zunächst lediglich von „mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten“ in Wahllokalen im Norden des Landes.

Mit einem deutlichen Rechtsruck hatte Netanjahu noch kurz vor der Wahl in einem Interview die Annektierung bereits israelisch besiedelter Gebiete im Westjordanland in Aussicht gestellt. Einem unabhängigen Palästinenserstaat erteilte er eine Absage.

Gantz hat sich für eine Friedensregelung mit den Palästinensern ausgesprochen. Gleichzeitig ist er dafür, dass die großen Siedlungsblöcke im Westjordanland bei Israel bleiben. Von der israelischen Besatzung hat er sich distanziert.

Trump will Friedensplan präsentieren

Der seit 2014 auf Eis liegende Friedensprozess spielte im Wahlkampf allerdings nur eine untergeordnete Rolle.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sagte anlässlich der Wahlen, Frieden in der Region sei im Interesse des eigenen Volkes - und in dem Israels. „Wir hoffen nur, dass sie (die Israelis) dem richtigen Weg zum Frieden folgen“, sagte Abbas nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa. „Unsere Hand ist immer für Verhandlungen ausgestreckt, aber wir werden unsere Rechte nicht aufgeben.“

Präsident Reuven Rivlin wird nach der Wahl den Kandidaten mit den größten Chancen mit der Bildung einer Regierungskoalition beauftragen. Das neue Parlament soll am 23. April vereidigt werden. Mit einer neuen Regierung wird bis Anfang Juni gerechnet.

US-Präsident Donald Trump will nach der Wahl seinen lange erwarteten Friedensplan zur Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern präsentieren. Abbas betonte erneut, er werde keinen Friedensplan der Amerikaner akzeptieren, „was auch immer das sein werde“, berichtete Wafa. Die Palästinenser lehnten den Plan ab, weil er ihre Ansprüche nach internationalem Recht umgehe, sagte Abbas demnach.