Bei spontanen Feiern nach dem Wahlsieg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nahm die Stuttgarter Polizei am Sonntagabend 13 Strafanzeigen auf – auch wegen eines versuchten Tötungsdelikts.

Die Stuttgarter Polizei hatte auf einen friedlichen Wahlabend gehofft, und so sah es anfangs auch aus, als Anhänger des wiedergewählten türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in einem Autokorso hupend und Fahnen schwenkend durch die Stuttgarter Innenstadt fuhren. Doch der Abend entwickelte sich anders: Drei Verletzte, Schlägereien, Stein- und Flaschenwürfe und 13 Strafanzeigen, so lautete am Montagmorgen eine erste Bilanz der Stuttgarter Polizei.

 

Auch in Mannheim kam es zu vereinzelten Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Türken. Hier ermittelt die Polizei wegen eines Videos, in dem ein Mann mit einer Schusswaffe in einem Cabriolet sitzend zu sehen ist. Das Video entstand offenbar während der Aufzüge.

„Für die Verletzten besteht keine Lebensgefahr mehr“

Besonders folgenschwer war ein Vorfall in der Theodor-Heuss-Straße in Stuttgart. Kurz nach 22 Uhr wurde dort ein Fahrzeug aus dem zirkulierenden Autokorso von einer mehrköpfigen Personengruppe angegangen. So schildert es die Polizei. Im Verlauf der Auseinandersetzung sei der 26-jährige Fahrer des Wagens offenbar durch einen Messerstich verletzt worden. Zwei 18 und 19 Jahre alte Männer, die nach Erkenntnissen der Polizei mutmaßlich zu der angreifenden Gruppe gehörten, erlitten ebenfalls Stichverletzungen. Einer der jungen Männer sei dabei lebensgefährlich verletzt worden. Am Montagmittag dann die Entwarnung durch die Polizei: „Mittlerweile besteht für die Verletzten keine Lebensgefahr mehr.“

Autokorsos an vielen Stellen in der Stadt

Angefangen hatte es laut, aber nicht gewalttätig. Nach der Bekanntgabe von Erdogans Wahlsieg versammelten sich Anhänger des türkischen Politikers zu Autokorsos, nicht nur in der City, sondern auch in der Mauserstraße in Feuerbach, einem Zentrum der türkischen Gemeinschaft in der Landeshauptstadt. Polizeisprecher Jens Lauer spricht von „anfangs unterschiedlichen, friedlichen Siegesfeiern“, an denen sich mehrere Hundert Menschen beteiligten. Im Bereich der Theodor-Heuss-Straße zählten Polizistinnen und Polizisten mehr als 150 Fahrzeuge in einem Autokorso. Um zu verhindern, dass sich die Autos stauten, wurde der Verkehr abgeleitet. Man sei gut vorbereitet gewesen, betont Lauer – auch im Hinblick auf eine angemeldete Demonstration, die dann allerdings nicht stattgefunden habe. Die Polizei war mit den Kräften einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit sowie taktischen Einsatzzügen vor Ort, zusammen etwa 100 Bereitschaftspolizisten.

Nach intensiven eineinhalb Stunden beruhigte sich die Lage

Später am Abend veränderte sich das Bild. Im Polizeipräsidium häuften sich Anrufe mit Hinweisen auf Stein- und Flaschenwürfe. Ein Schwerpunkt war der Innenstadtring rund um den Rotebühlplatz und der Theodor-Heuss-Straße, wo es zu Schlägereien und schließlich zu der Messerattacke kam. Rettungskräfte kümmerten sich um die Verletzten und brachten sie in Krankenhäuser. „Insgesamt haben wir 13 Strafanzeigen aufgenommen, darunter ein versuchtes Tötungsdelikt, sechs Körperverletzungen und mehrere Sachbeschädigungen“, berichtet Polizeisprecher Lauer. Nach intensiven eineinhalb Stunden habe sich die Lage gegen Mitternacht wieder beruhigt.

Die Polizei ermittelt in alle Richtungen

Zu den Hintergründen der Auseinandersetzungen macht die Polizei keine Angaben. Stattdessen verweist sie auf die jetzt begonnenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Die Kriminalpolizei „ermittelt in alle Richtungen“, wie Polizeisprecher Lauer betont. Eingebunden in die Ermittlungen seien auch die Experten des Landeskriminalamts. Die Gewalttätigkeiten hätten sich nicht gegen die Polizei gerichtet, sondern seien „Auseinandersetzungen untereinander“ gewesen. Zeugen bittet die Polizei, sich unter der Rufnummer 07 11 / 89 90 57 78 zu melden.