„Die AfD ist spätestens mit dem heutigen Tag eine feste parlamentarische Größe in unserem Land“, sagte der Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland (AfD), Jörg Meuthen mit Blick auf das Ergebnis seiner Partei.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Stuttgart - Es ist wohl die aufsehenerregendste Wahlparty am Sonntagabend: Nach der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen, nach der die Alternative für Deutschland (AfD) in Baden-Württemberg bei 12,5 Prozent liegt, jubelt bereits der ganze Saal im Hotel Maritim. „Die AfD ist spätestens mit dem heutigen Tag eine feste parlamentarische Größe in unserem Land“, ruft ihr Spitzenkandidat Jörg Meuthen (54). „Es ist geschafft.“

 

Der Wert steigt im Laufe des Abends noch bis auf mehr als 15 Prozent – und der Jubel und das Klingen der Gläser der Parteianhänger wird von Hochrechnung zu Hochrechnung lauter. Auf der Bühne spricht Meuthen über die Belastungen des Wahlkampfs: „Niemand, der nicht dabei war, weiß, wie schwer dieser Weg zum heutigen Abend der Freude war.“ Man habe die AfD „auf jede erdenkliche Weise bekämpft, wir wurden als rechtspopulistisch bezeichnet, was wir nicht sind“. Auch die Etiketten rechtsextrem und fremdenfeindlich weist Meuthen von sich. Doch die Freude überwog: „Heute ist ein guter Tag für unser Land, es gibt jetzt im Stuttgarter Parlament eine echte Alternative“, sagt er.

Gauland: „Kretschmann ist der einzige Wermutstropfen“

Meuthen wird begleitet von dem Bundesvize der AfD und ehemals langjährigen CDU-Mitglied, Alexander Gauland. Als Gauland um 19 Uhr auf die Bühne kommt, jubelt dieser: „Wir haben die Altparteien zum Teufel gejagt.“ Künftig werde die AfD diese vor sich „hertreiben“. Mit Ausnahme von Winfried Kretschmann (Grüne) seien alle übrigen Spitzenkandidaten und deren Parteien abgestraft worden: „Kretschmann ist der einzige Wermutstropfen“, sagt Gauland und ruft daraufhin in die applaudierende Menge: „Aber wenn ihr weiter so macht, bekommen wir das auch noch hin!“

Vor dem Hotel, in dem die Partei 350 Gäste und 70 Journalisten empfängt, demonstrieren etwa 150 Menschen gegen die Rechtskonservativen (siehe auch Bericht auf Seite 11). Die Demonstration wird begleitet von einem großen Polizeiaufgebot. Doch die AfD ist vorbereitet: ein privater Sicherheitsdienst kontrolliert die Gäste und deren Taschen am Einlass. Drinnen feiern die Parteianhänger unter zwei überdimensionalen Kronleuchtern in Abendgarderobe: Lediglich eine Frau im rosafarbenen Dirndl fällt auf unter den unzähligen Cocktailkleidern und Smokings.

Der Landtagseinzug stand für Meuthen schon vorher fest

Dass es die AfD in den Landtag schaffen wird, stand für die Parteimitglieder und Spitzenkandidat Meuthen, der an der Verwaltungshochschule Kehl angehende Bürgermeister unterrichtet, angesichts der Umfragewerte schon vorher fest. Dagegen war bis zuletzt nicht klar, ob das Hotel Maritim noch einen Rückzieher macht und der AfD aufgrund des öffentlichen Drucks eine Absage erteilt. Das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region („Antifa“) hatte angekündigt, dass man die Wahlparty mit Protesten konfrontieren werde. Und tatsächlich kommt ein paar Minuten nach 17 Uhr eine Gruppe von Demonstranten vom Berliner Platz die Seidenstraße hoch zum Hotel Maritim. Die größtenteils sehr jungen Menschen rufen Sätze wie: „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“ oder „Ob Pegida oder AfD – Stoppt den Rechtsruck in der BRD“.

Die AfD hatte vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg in den Umfragen immer weiter zugelegt. Zuletzt stand sie – je nach Umfrage – zwischen elf und 13 Prozent. Die Flüchtlingsfrage spielte der AfD dabei in die Hände. In ihrem Parteiprogramm ist die Rede von „Einwanderungswahn“, „Willkommensdiktatur“ oder dass die Bundeskanzlerin Merkel „Hunderte Millionen Armutsflüchtlinge nach Deutschland lockt“. Dies scheint den Nerv vieler Menschen zu treffen.

Der Spitzenkandidat im Südwesten gibt sich zurückhaltend

Meuthen zeigte sich dabei stets etwas zurückhaltender als seine Kollegen aus dem Bund oder Land – wie etwa der Kandidat aus dem Kreis Villingen-Schwenningen, Markus Frohnmeier, der sich nicht scheut, auf Demonstrationen Parolen zu rufen wie: „Wenn wir kommen, wird aufgeräumt!“ Meuthen spricht da weniger radikal: „Wir brauchen wirksame Grenzen“, oder: „Wir haben einen Kontrollverlust im Land“ – so äußerte er sich zum Flüchtlingszustrom in der „Elefantenrunde“ im Südwestrundfunk. Wenige Tage vor der Wahl hatte die AfD nochmals Aufruhr verursacht, weil sie ihre Mitglieder dazu aufgerufen hatte, die Landtagswahl zu beobachten, da sie Wahlfälschung befürchte.