Die Niederlage der Liberalen bei der Bundestagswahl trifft jene am Härtesten, die den Laden im Bundestag am Laufen hielten.

Berlin - Emsiges Treiben herrscht am Dienstag nach der Wahl auf der Fraktionsebene des Reichstagsgebäudes. Erstmals treffen sich in dieser Legislaturperiode dort die Abgeordneten der gewählten Parteien in ihren Fraktionsräumen, nur im Nordwestflügel herrscht Stille. Dort, wo bisher die FDP-Fraktion die Regierungsgeschäfte mit bestimmte, bleiben die Flure menschenleer. Die FDP ist raus aus dem Bundestag. Und damit endet nicht nur die Arbeit von 93 Abgeordneten, sondern auch das Beschäftigungsverhältnis von rund 600 Mitarbeitern der Abgeordneten und der Fraktion in Berlin und in den Wahlkampfbüros. So viele Mitarbeiter einer Fraktion mussten noch nie auf einen Schlag entlassen werden. Bisher hatte die SPD diesen Rekord gehalten, deren Fraktion bei der Wahl 2009 um 75 Abgeordnete abgeschmolzen war.

 

Das ist der Preis der Demokratie. Für viele Mitarbeiter ist dies gleichwohl ein brutaler Einschnitt, mit dem sie nicht gerechnet hatten. Ein Betroffener beschreibt die Situation als „Albtraum“. Die Stimmung sei „katastrophal“. Schon am Wahlabend sah man auf der Wahlparty der FDP Tränen bestürzter Mitarbeiter fließen. Hinzu komme die Häme und die Schadenfreude, mit der sich viele in ihrem Umfeld konfrontiert sähen. Da schlage einem mitunter der blanke Hasse entgegen, sagt ein weiterer Mitarbeiter. Andere wissen nicht so recht, wohin mit ihrer Wut auf jene FDP-Führungsriege, die aus ihrer Sicht „die Partei kaputt gemacht“ hätten.

Man hatte sich durchaus vorbereitet, war davon ausgegangen, dass die FDP knapp den Einzug schaffen würde. Nach dem Rekordergebnis von 2009 (14,6 Prozent) wären dann zwar auch viele Arbeitsplätze weg gefallen, aber die Logistik einer handlungsfähigen Fraktion wäre erhalten geblieben.

Es gibt zwei Kategorien von Mitarbeitern. Jene, die direkt von den Abgeordneten angestellt werden und jene, die bei der Fraktion anheuern, etwa für Pressearbeit oder Verwaltungsaufgaben. Rund 15 800 Euro stehen einem Abgeordneten brutto im Monat zur Verfügung, um Mitarbeiter im Bundestag und im Wahlkreis zu beschäftigen – Referenten, Sachbearbeiter, Sekretärinnen. Im Schnitt beschäftigt ein Abgeordneter etwa vier Mitarbeiter. Deren Arbeitsverhältnis läuft nun Ende Oktober aus. Zumindest die Mitarbeiter jener Abgeordneten, die auf ihren Landeslisten vorne platziert waren, hatten damit nicht gerechnet.

Arbeitsagentur sieht gute Vermittlungschancen

Noch bis Ende des Jahres laufen die Verträge jener 120 Mitarbeiter, die direkt bei der Fraktion angestellt sind. Am Montag wurden sie vom scheidenden Fraktionschef Rainer Brüderle in einer Krisenrunde informiert. Bei der FDP hatte man sich darauf eingestellt, den Mitarbeiterstab nach der Wahl auf etwa 80 Angestellte abschmelzen zu müssen, jetzt müssen alle gehen. Einige wenige haben ein Rückkehrrecht in Ministerien. Anders als bei der SPD 2009 gibt es bei der FDP keine handlungsfähige Fraktion mehr, die den Betroffenen bei der Vermittlung behilflich sein kann. Der komplette Apparat muss sich in wenigen Wochen selbst abwickeln.

Für die Arbeitsagentur in Berlin Mitte ist diese Situation gleichwohl Routine. Alle vier Jahre müssen Abgeordnete ihre Büros räumen und Mitarbeiter entlassen. Zweimal werden die Arbeitsvermittler deshalb bis Ende Oktober Räume im Bundestag beziehen, um Betroffene aller Fraktionen zu beraten. „Das haben wir bei der Holzmann- oder bei der Quelle-Insolvenz genauso gemacht“, sagt ein Sprecher. Er rät den Betroffenen, Ruhe zu bewahren. Die Job-Aussichten seien bestens. Die Fach-Referenten seien „sehr, sehr gut ausgebildet“, meist flexible Akademiker mit besten Berufsaussichten und guter Reputation. Auch jene, die mit Verwaltungsaufgaben betraut sind, hätten sehr gute Chancen. Denn bei jeder Wahl würden neue Abgeordnete aufrücken. Denen sei mit einer erfahrenen Bürokraft, die wisse, wo etwa die Druckvorlagen für die Ausschussarbeit angefordert werden müssen, sehr geholfen.