Seit unweit von Hohenstadt der Tunnel für die Schnellbahntrasse ins Albmassiv gebohrt wird, hat der Ort plötzlich 100 Einwohner mehr. Doch bei der Kommunalwahl spielen die neuen Wähler kaum eine Rolle.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Hohenstadt - So viele Wahlberechtigte hat es in Hohenstadt noch nie gegeben. Um 20 Prozent hat sich die Zahl im Vergleich zur Kommunalwahl im Jahr 2009 erhöht. Verantwortlich dafür ist allerdings nicht die Handvoll Jugendlicher, die nach dem Willen der Landesregierung am 25. Mai erstmals schon mit 16 und 17 Jahren zu den Urnen gerufen wird. Der Grund liegt vielmehr in einer Hundertschaft an Österreichern, die seit kurzem in den Gaststätten und in einem Containerdorf im Südosten wohnt.

 

Bürger für vier Jahre

Ob die Alpenländler von ihrem Wahlrecht im höchst gelegenen Ort der Region Stuttgart Gebrauch machen werden, ist allerdings ungewiss. Aufgrund steuerlicher Gründe haben sich die Männer hier angesiedelt. Sollte sich die Vorhersage der Bahn bestätigen, werden sie bis zum Jahr 2018 bleiben, um für die Schnellbahnstrecke Stuttgart-Ulm einen Tunnel ins Massiv der Alb zu bohren. Selbst für den Bürgermeister Günter Riebort kam dieser Zuwachs an Erstwohnsitzen überraschend. Hätte nicht ein österreichisches, sondern ein deutsches Konsortium von der Bahn den Auftrag erhalten, hätte dies wohl anders ausgesehen, vermutet der Bürgermeister.

So aber kann er sich über eine kräftige Zunahme der Schlüsselzuweisungen vom Land freuen, die jeder zusätzliche Einwohner bedeutet. Und natürlich werden sich in den kommenden Jahren vorübergehend auch die Gewerbesteuereinnahmen vervielfachen, die gegenwärtig bei bescheidenen 60 000 Euro pro Jahr verharren. Finanzsorgen gehören in Hohenstadt also erst einmal der Vergangenheit an. Im Hinblick darauf wurde der immer wieder verschobene Austausch der Gullydeckel für dieses Jahr endlich in Auftrag geben.

Gut gefüllte Gaststätten

Übrigens hatte es zunächst Bemühungen gegeben, einen Vertreter der Österreicher auf eine der beiden parteilosen Kandidatenlisten zur Gemeinderatswahl zu bekommen. Doch der Auserwählte musste passen, nachdem er sich beruflich anderweitig orientierte und Hohenstadt wieder verließ. „Es ist wohl besser so“, sagt Kurt Oldenburg, stellvertretender Bürgermeister und Stimmenkönig bei der Wahl 2009. Wegen des Zwölf-Stunden-Schichtbetriebs auf der Baustelle wäre die Terminierung der Sitzungen sehr schwierig geworden.

Ohnehin stellen die Österreicher kaum Ansprüche an die Gemeindepolitik. Ihre Familien leben zu Hause, die einzige Infrastruktur, die sie in Anspruch nähmen, seien die drei Gaststätten im Ort, die seither gut frequentiert würden, meint Riebort. Das Knowhow der Tunnelbauer hätte dem Gemeinderat allerdings genutzt. Denn die Großbaustelle, so Oldenburg, bleibe auf absehbare Zeit das wichtigste Thema in der Hohenstädter Kommunalpolitik.

Hohenstadt auf einen Blick

Einwohner: 716

Bürgermeister:Günter Riebort (parteilos), seit 2010

Zurzeit im Gemeinderat:Freie Wählervereinigung: 4 Sitze, Unabhängige Wählergemeinschaft: 4 Sitze.

In der Serie zur Gemeinderatswahl beleuchten wir die Ausgangslage jeder Kommune im Kreis vor der Wahl am 25. Mai.