Das Scheitern des Tourismusprojekts vor zwei Jahren hat die politischen Koordinaten in Wiesensteig verändert. Jetzt kandidiert eine neue Gruppe für den Gemeinderat. Oder steckt die CDU dahinter?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Wiesensteig - In diesem Sommer wird er eröffnet. Auf einem 1200 Meter langen und bis zu 20 Meter hohen Steg können die Besucher dann durch die Wipfel wandern, einen 40 Meter hohen Aussichtsturm erklimmen und von dort zum Waldboden hinunterrutschen. Die Stadt Bad Wildbad im künftigen Nationalpark Nordschwarzwald hat von der Erlebnisakademie Bad Kötzting den Zuschlag für den Baumwipfelpfad erhalten. Eigentlich hätte er seit dem vergangenen Jahr in der Nähe der Burgruine Reußenstein bei Wiesensteig stehen sollen.

 

Was wäre wenn?

Nur manchmal erinnert sich der Wiesensteiger Bürgermeister Gebhard Tritschler an dieses Kapitel, das nach seiner Ansicht eine große Chance für die kleinste mit Stadtrechten ausgestattete Kommune der Region Stuttgart bedeutet hätte. Straßen und Gebäude müssen saniert werden, das Tälesbad braucht ein Zukunftskonzept und die seit zwei Jahren leer stehende Hauptschule eine Anschlussnutzung. Da bleibt keine Zeit für fruchtlose Gedankenspiele unter Motto „was wäre wenn. . .“

Andere wiederum sind heilfroh, dass Wiesensteig der Einfall von jährlich 250 000 Touristen erspart bleibt. Kurz vor dem bereits terminierten Bürgerentscheid hatte der Investor im September 2012 das Handtuch geworfen. Doch die Gräben, die damals aufgerissen wurden, sind noch nicht zugeschüttet. Auch auf die Kommunalwahl am Sonntag wirft der Baumwipfelpfad seine langen Schatten. So wirbt eine neue Liste namens Bürger für Wiesensteig, auf der sich prominente Wipfelpfadgegner um den wortgewaltigen ehemaligen Vorsitzenden des Gewerbe- und Fremdenverkehrsvereinsvorsitzenden Andreas Pohl sammeln, erstmals um Stimmen.

Zu viel Einstimmigkeit im Gremium

Auf das Thema Wipfelpfad will sich die einzige amtierende Stadträtin auf der Liste allerdings nicht reduzieren lassen. Der sei längst passé, sagt Renate Rothfuß. Doch auch in der Folgezeit habe der Gemeinderat immer wieder Entscheidungen getroffen, die nicht dem Willen großer Teile der Bürgerschaft entsprochen hätten. Ob es um den millionenschweren Neubau eines Kindergartens oder die geplante Ansiedlung eines Seniorenheims ging: stets sei sie mit ihren Bedenken allein gestanden. „Es gibt zu viel Einstimmigkeit“, sagt Rothfuß.

Tatsächlich sehen sich die beiden anderen Listen, die Offene und die Freie Kandidatenliste – auf ihr stand vor fünf Jahren auch Rothfuß – nicht als Konkurrenz. „Wir brauchen zwölf Stadträte, haben aber 14 Kandidaten“, sagt Stadtrat Wolfgang Heidner. Deshalb habe man zwei Listen.

Steckt die CDU hinter der neuen Liste?

Zusammen mit den zwölf Bürgern für Wiesensteig seien es nun 26 Kandidaten. „Das ist doch gut für die Stadt.“ Der Name der neuen Liste kommt Heidner allerdings bekannt vor. Bis vor 15 Jahren kandidierten die Bürger für Wiesensteig mit dem Zusatz CDU. Auch die Ankündigung der Kandidatur erschien im Amtsblatt unter dem Signet der Union.

Die Betroffenen selbst wollen sich allerdings nicht parteipolitisch vereinnahmen lassen, obgleich der Bruder des CDU-Ortschefs kandidiert. In der Tat: auch bei den beiden anderen Grupperungen gibt es bekennende Christdemokraten. Vielleicht trifft es die Charakterisierung als Anti-Wipfelpfad-Partei also doch am besten.

Wiesensteig auf einen Blick

Einwohner: 2013

Bürgermeister: Gebhard Tritschler (parteilos) seit 2010

Zurzeit im Gemeinderat: Offene Kandidatenliste: 7; Freie Kandidatenliste: 7

In der Serie zur Gemeinderatswahl beleuchten wir die Ausgangslage jeder Kommune im Kreis vor der Wahl am 25. Mai.