Sein politisches Lebensziel hat Recep Tayyip Erdogan erreicht – er kann sein Land mit vielen Vollmachten und wenig Kontrolle durch andere Staatsorgane regieren. Was das für das Land bedeutet, kommentiert unsere Korrespondentin Susanne Güsten.

Stuttgart - Nach der Wahl vom Sonntag wird in der Türkei noch mehr als bisher das Wort eines einzigen Mannes gelten: Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sein politisches Lebensziel erreicht – er kann sein Land mit vielen Vollmachten und wenig Kontrolle durch andere Staatsorgane regieren. Künftig wird er lediglich auf die Nationalisten im Parlament Rücksicht nehmen müssen. Das wird die Linie der Regierung in Ankara noch mehr verhärten.

 

Neuer Tiefpunkt für die Opposition in der Türkei

Neue Ansätze für eine Lösung des Kurdenkonfliktes rücken in weite Ferne. Auch eine Wiederannäherung an Europa wird es so bald nicht geben. Stattdessen wird die Türkei noch mehr als bisher auf Stärke setzen – und in Kritik von außen noch stärker eine Verschwörung feindlicher Kräfte sehen. Dass Erdogan und seine rechten Partner die nötigen wirtschaftlichen Reformen angehen werden, ist kaum zu erwarten.

Auch für die türkische Opposition bedeutet das Wahlergebnis einen neuen Tiefpunkt. Wenn Erdogan in der neuen Phase angreifbar ist, dann von seinen nationalistischen Partnern, nicht von seinen Gegnern. Erdogan-Anhänger und -Gegner stehen sich unversöhnlich gegenüber. Ein Dialog über die Gräben hinweg erscheint kaum noch möglich. Viele Erdogan-Kritiker werden sich jetzt zurückziehen. Erdogan hat die Wahl gewonnen – und viele Türken wohl für immer verloren.