Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

„Der Westen war gewiss nicht ohne Verlockung, im Osten aber herrschte Sicherheit. Die Doppeldeutigkeit dieses Begriffs beschreibt die zwei Seiten des Lebens in der DDR.“ Sicherheit meinte die Staatssicherheit – die alle Lebensbereiche überwachende Stasi, so Wolle. Gemeint sei aber zugleich die Sicherheit des Arbeitsplatzes, des Krippenplatzes, der niedrigen Miete und der subventionierten Grundnahrungsmittel. „Geborgenheit beschreibt sowohl den Kindergarten als auch den Zustand der Unmündigkeit, in dem die Bürger der DDR gehalten wurden“, schreibt der Historiker.

 

Viele Menschen hätten daher nach 1989 den Gewinn an individueller Freiheit als Verlust der Geborgenheit erlebt. „Die Auflösung des Obrigkeitsstaates war für sie ein Absturz in die Freiheit“, lautet eine der wunderbaren Pointen Wolles. Die Unfreiheit sei nämlich nicht bloß unbequem gewesen, sondern auch bequem. Sie habe den Einzelnen von selbstverantwortlichen Entscheidungen befreit. „Als die eiserne Klammer des Zwangssystems fiel, wurden die eingeübten Überlebensstrategien der Mangelgesellschaft gegenstandslos.“ Mancher, so Wolle, habe sich in ein Sozialparadies zurückgesehnt, das es nie gegeben hat.