Die Sozialministerin Katrin Altpeter will am Winnender Zentrum für Psychiatrie eine Tagesklinik für Kinder und Jugendliche einrichten – und kommt damit auch einer eigenen Forderung nach.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Der „weiße Fleck auf der Karte der Kinder- und Jugendpsychiatrie“, wie der Landrat Johannes Fuchs das schon geraume Zeit bestehende Defizit beschreibt, wird gefüllt. Am Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Winnenden sollen zehn tagesklinische Plätze für Kinder und Jugendliche eingerichtet werden. Das hat die Sozialministerin Katrin Altpeter am Freitag bekannt gegeben. Sie werde dem Landeskrankenhausausschuss einen entsprechenden Vorschlag in dessen erster Sitzung im neuen Jahr „zur förmlichen Beschlussfassung“ vorlegen, sagte Altpeter. Mit einer Ablehnung rechnet die Ministerin nicht, denn die Plätze, das betont sie ausdrücklich, würden nicht zusätzlich geschaffen, sondern von anderen Standorten, die das Zentrum für Psychiatrie in Weinsberg betreut, abgezogen.

 

Zusätzlich zu den teilstationären Plätzen soll auch eine sogenannte psychiatrische Institutsambulanz in Winnenden etabliert werden, die ebenfalls speziell auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet ist. 20 solcher Einrichtungen gibt es laut Angaben des Sozialministeriums zurzeit in Baden-Württemberg. Die Ambulanzen arbeiteten in der Regel als „multiprofessionelle Teams“, bestehend aus Psychiatern, Psychotherapeuten, Pflegekräften und Sozialpädagogen. Altpeter: „Die Institutsambulanz in Winnenden wird die Schaltstelle zwischen ambulanter, teil- und vollstationärer Behandlung, Nachsorge und der Einleitung von Reha-Maßnahmen.“

Mit dem speziellen Angebot wird eine Forderung erfüllt, die Katrin Altpeter selbst schon in ihrer Zeit als Fraktionsvorsitzende der Kreistags-SPD vehement unterstützt und die nach dem Amoklauf von Winnenden eine ganz neue Brisanz erhalten hatte. Das Blutbad war bekanntlich von einem 17-Jährigen angerichtet worden, der vor Ort offenkundig keine ausreichende psychiatrische Hilfe erfahren hatte. Eine breite, parteiübergreifende Allianz um den Landrat Johannes Fuchs hatte sich vergeblich um die Ansiedelung eines Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie bemüht. Als Grund für das Scheitern wurde angegeben, dass erst ein weiterführendes, stationäres Angebot die Einrichtung einer solchen Spezialpraxis attraktiv machen würde.

Die jetzt anvisierte Maßnahme im Rems-Murr-Kreis ist eine vorgezogene Reaktion auf die Ergebnisse einer landesweiten Evaluation. Die Ministerin hat die Versorgungslage im kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich für das ganze Land auf den Prüfstand stellen lassen. Die jüngste Krankenhausplanung stammt aus dem Jahr 2008. Zurzeit stehen im Land 607 stationäre Betten und 265 teilstationäre Plätze zur Behandlung psychisch kranker Kinder bereit, die auf 32 Standorte verteilt sind. Bisher hat das Sozialministerium alle entsprechenden Krankenhäuser befragt, eine interne Auswertung sei kürzlich abgeschlossen worden. Nun solle in einer zweiten Phase im kommenden Jahr eine Arbeitsgruppe aus Kostenträgern, Leistungserbringern und anderen Experten über mögliche Konsequenzen beraten.

Ein Ergebnis steht für Altpeter indes schon jetzt fest: die ambulante und psychotherapeutische Versorgung sei mangelhaft. Doch diese sicherzustellen, obliege nicht ihrem Ministerium, sondern der Kassenärztlichen Vereinigung.

Kommentar: Geschickt gelöst

Katrin Altpeter hat eine Forderung, für die sie als SPD-Kreisrätin in ihrem früheren politischen Leben vehement gekämpft hatte, jetzt als Ministerin nicht nur ein- sondern äußerst geschickt gelöst. Zum einen hat sie mit ihrem „Vorschlag“ keinen Planer im eigenen Haus oder gar ein Entscheidungsgremium verprellt, weil sie ein Angebot schafft, das kaum zusätzliche Kosten verursacht. Die zehn tagesklinischen Plätze werden – zumindest vorerst – nicht zusätzlich geschaffen, sondern lediglich verlagert.

Zum anderen hat sie den ihr zugesteckten schwarzen Peter nonchalant weitergereicht: Sie habe dafür gesorgt, dass die gemeindenahe klinische Versorgung verbessert wird, sagt die SPD-Politikerin. Jetzt müssten andere ihre Hausaufgaben machen und das ambulante Defizit lösen. Für die Niederlassung entsprechender Fachärzte im Rems-Murr-Kreis werde es „entscheidend darauf ankommen, ob es dem Landkreis gelingt, attraktive Rahmenbedingungen dafür zu schaffen“, sagt die Ministerin – und befreit sich ganz elegant aus der Zwickmühle.