Bis zuletzt blieb die Verteidigung dabei, der achtjährige Junge habe sich den sexuellen Übergriff nur ausgedacht – doch besonders eine DNA-Spur führte nun zum Urteil gegen den 49-Jährigen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Waiblingen - Hatte der Achtjährige wirklich eine Sex-App auf das Tablet seines Bekannten heruntergeladen? Sprach er tatsächlich immer nur von „Ficken, ficken, ficken“ – und dachte sich den sexuellen Übergriff des Bekannten nur aus? Hatte seine Mutter ihm die Vorwürfe nur eingeredet? Immer wieder war es den Verteidigern eines 49-Jährigen, der sich vor dem Amtsgericht Waiblingen verantworten musste, gelungen, solche Fragen aufzuwerfen. Am Ende verurteilte das Gericht ihren Mandanten dennoch wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einem Jahr und neun Monaten Haft.

 

Widersprüchliche Aussage des Opfers

Im Januar 2017, das sah das Schöffengericht unter Vorsitz von Martin Luippold als erwiesen an, hatte der 49-Jährige nach einer Feier den damals Achtjährigen in sein Zimmer gelockt und ihn unsittlich berührt. Ob er dabei mit seinen Fingern in den Körper des Jungen eindrang, konnte nicht einwandfrei bewiesen werden. Deswegen blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese war von schwerem sexuellem Missbrauch ausgegangen.

Die Verteidigung hatte versucht, die Aussagen des Jungen als unglaubwürdig darzustellen. Sie zeichnete das Bild eines stehlenden, lügenden Kindes, das von Sexthemen besessen sei und auch wegen seiner ADHS-Erkrankungen alles tue, um Aufmerksamkeit zu erregen und seinen Willen zu bekommen. Die Aussagen des Jungen widersprachen sich teilweise – „sie allein hätten möglicherweise nicht ausgereicht für eine Verurteilung“, sagte der Richter Luippold.

Deshalb hat das Amtsgericht Waiblingen den 49-Jährigen verurteilt:

Doch es gab noch die DNA-Spuren vorne und hinten in der Unterhose des Opfers. Sie waren mit der Wahrscheinlichkeit von Eins zu mehreren Millionen dem Angeklagten zuzurechnen. „Eine Spurenverschleppung in dieser Form ist quasi unmöglich“, meinte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Sie kritisierte auch die Strategie der beiden Verteidiger: „Nur weil ein Mensch nervig ist, heißt es nicht, dass er nur Blödsinn erzählt.“ Und dass ein Achtjähriger beginne, sich für Sexualität zu interessieren, sei „einfach normal“.

Der Vorwurf des Missbrauchs war nicht der einzige, wegen dem der 49-Jährige vor Gericht stand: Er war im Jahr 2017 mit einem gefälschten bulgarischen Führerschein erwischt worden. Er hatte beteuert, mit anderen Fahrschülern in einem Bus nach Sofia gefahren zu sein und dort eine Prüfung abgelegt zu haben. Er sei davon ausgegangen, dass es sich um eine legitime Fahrerlaubnis gehandelt habe – obwohl er weder Fahrstunden belegt noch wie vorgeschrieben 185 Tage in Bulgarien gelebt hatte. Das Fahren ohne Führerschein war unleugbar; eine Urkundenfälschung sah das Gericht aber nicht als erwiesen an.

Verurteilter hat lange Vorstrafenliste

Zu Gunsten des Angeklagten fand Richter Luippold ansonsten nicht viel: „Sie haben die Tat nicht gestanden, sondern versucht, das Kind schlecht zu reden“, meinte er. Wie viel für den Angeklagten auf dem Spiel stand, wurde angesichts seiner Vorstrafenliste deutlich. Der 49-Jährige war über Jahre hinweg nicht nur wegen Urkundenfälschung, Betrug und Körperverletzung zu mehreren Geldstrafen, sondern 2011 auch wegen Drogenschmuggels und -handels zu acht Jahren Haft verurteilt worden.

Im Jahr 2014 war der Rest der Strafe – rund vier Jahre – zur Bewährung ausgesetzt worden. Auch diese Strafe wird er nun noch absitzen müssen. Vor dem Gerichtssaal, gegenüber seinen Anwälten, beteuerte der 49-Jährige auch nach dem Prozess seine Unschuld. Ob er Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird, steht noch nicht fest.