Ein Fahrer einer Zivilstreife hat bei einer Verfolgungsjagd eine 78-Jährige angefahren. Für die Staatsanwaltschaft steht jetzt fest: Es war fahrlässige Körperverletzung im Amt.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Waiblingen - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Strafbefehl gegen einen Polizisten beantragt. Sie wirft einem jungen Beamten vor, sich der fahrlässigen Körperverletzung im Amt schuldig gemacht zu haben. Jetzt soll er eine Geldstrafe bezahlen – in welcher Höhe, will der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Jan Holzner, nicht verraten. Der Polizist kann dem Strafbefehl widersprechen, in diesem Fall würde es zu einem Gerichtsprozess kommen.

 

Was war passiert? Als Polizisten am Mittag des 17. Februar dieses Jahres in Waiblingen einen verdächtigen Rollerfahrer kontrollieren wollten, gab dieser unvermittelt Gas und fuhr davon. Ein 23-jähriger Fahrer einer Zivilstreife nahm die Verfolgung auf. Dafür fuhr er über einen geteerten Verbindungsweg im Waiblinger Stadtteil Hegnach. Dort passierte es: Sein Fahrzeug erfasste in einer leichten Linkskurve eine 78-jährige Frau, die dort zu Fuß unterwegs war. Die Seniorin erlitt bei dem Unfall schwere Verletzungen.

Die Bearbeitung des Falls zog sich über lange Zeit hin. Ein Gutachten, das ein Sachverständiger erstellte, sollte klären, ob sich der Polizist einer fahrlässigen Körperverletzung strafbar gemacht haben könnte. Erst Ende April war die Expertise fertig und wurde der Polizei und der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Erstere wollte sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern und abwarten, zu welchem Schluss die Staatsanwaltschaft kommt.

Grundsätzlich können Polizisten, die sich im Dienst etwas zu Schulden kommen lassen, verwarnt, mit einem Beförderungsstopp belegt, versetzt oder degradiert werden. Schlimmstenfalls droht ihnen die Entfernung aus dem Dienst. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart, die den Fall betreut hat, kam lange nicht dazu, den Fall zu bearbeiten. Mal sei das Personal ausgelastet, dann sei eine Kollegin im Urlaub gewesen.

Für einen Polizisten, der namentlich nicht genannt werden will, ist der Fall eindeutig: „Mit Blaulicht darfst du als Polizist zwar alles machen – nur darf dabei nichts passieren.“ Die Tatsache, dass es einen Unfall gegeben hat, zeige: Der junge Polizist habe die Lage falsch eingeschätzt. „Mit dem Alter werden die meisten Polizisten gelassener“, so der erfahrene Beamte.

Am 7. November hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart nun den Strafbefehl beantragt. Gestützt auf das lange erwartete Gutachten ist sie zu dem Schluss gekommen, dass sich der Polizist der fahrlässigen Körperverletzung im Amt schuldig gemacht hat. Zur Bearbeitungsdauer sagt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, Jan Holzner: „Ich kann Ihnen versichern, dass es nicht daran lag, dass der Herr Polizeibeamter ist.“ Ein halbes Jahr sei bei solchen Angelegenheiten normal – zumal Haftsachen dringlicher bearbeitet würden.